Das Tagebuch ist DEIN Projekt! So verblüffend das in den schnelllebigen Zeiten von Facebook und Burn-out auch sein mag: Ein Tagebuch zu schreiben ist nicht nur gesund und macht gute Laune. Mit einem Tagebuch hast du immer einen engen Freund an Deiner Seite. Und nicht nur das.
Kleiner Einschub zur Wortwahl vorab: Manche verwechseln Tagebuchschreiben mit „Journaling“ – doch die beiden Methoden sind nicht identisch. Den Unterschied habe ich in meinem Beitrag „Journaling: Schreib dich glücklich“ erläutert. Und wenn du dich für Tools interessierst, die Künstliche Intelligenz in dein Tagebuch bringen, liest du das hier.
Warum überhaupt Tagebuch schreiben?
Wer Tagebuch schreibt, hat „höhere Kreativitätswerte und bessere Rollenübernahmefähgigkeiten“, so eine Studie mit Jugendlichen. Und nicht nur das: Das tägliche Aufschreiben von Gefühlen wirkt direkt auf den Körper. In einer zweiten Studie litten die Tagebuchschreiber seltener unter Grippe und fühlten sich rundum wohler als die Kontrollgruppe.
Das Schreiben von täglichen Notizen zum eigenen Leben ist prima erforscht: Der „Urvater“ der Tagebuchforschung ist James Pennebaker, Psychologe an der University of Texas. Er hat schon in den 90er Jahren die Wirkung des Schreibens eines Tagebuches wissenschaftlich untersucht. Zunächst an 50 amerikanischen Studenten. Alles gesunde, kluge Menschen – die zu seiner Überraschung schon viele schlimme Dinge erlebt hatten: schwere Unfälle, Missbrauch im Familienkreis und der Verlust von nahe stehenden Menschen. Diese Studenten sollten eine Viertelstunde lang einen Tagebucheintrag über ihre tiefsten Gefühle und Gedanken schreiben.
Und siehe da: Einige der Versuchspersonen nahm das sichtlich mit. Sie verließen teils mit Tränen in den Augen den Raum – aber kehrten am nächsten Tag wieder, um weiterzuschreiben. Das war aber nicht die einzige Überraschung: Die Teilnehmer, die sich ihre Sorgen „vom Herzen“ geschrieben hatten, litten in den folgenden Wochen signifikant weniger unter Grippe und Erkältungen und fühlten sich nachweislich besser als die Kontrollgruppe, die nur belanglose Dinge aufgeschrieben hatte. Pennebaker schloss damals daraus, dass das „Herausschreiben“ von Sorgen und Nöten den Körper (und damit vermutlich auch die Seele) widerstandsfähiger macht.
Verschiedene Studien legen nahe, dass die Arbeit an einem Tagebuch bei diesen Erkrankungen und Symptomen helfen kann:
- Angst, Panik, Zwang und Depression – die ja nicht selten gemeinsam auftreten
- Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und auch bei Trauer und Verlust
- Missbrauch von Alkohol und Drogen sowie Ess-Störungen
- körperliche Sympdome wie Reizdarm, Bluthochdruck und Asthma.
So wirkt das Schreiben von Tagebüchern
Und nicht nur das: Dem Tagebuchschreiben werden allgemein mindestens fünf gute Eigenschaften zugeschrieben:
- Erinnerung von Erlebnissen und Gefühlen,
- emotionale Entlastung schwieriger Situationen,
- Selbstintegration von Gefühlen und Einstellungen,
- wohlwollende Selbstkritik sowie
- die Funktion des Tagebuchs als vertrauten Freund.
Alle fünf Eigenschaften sind gut erklärbar:
Natürlich erinnern wir uns an Geschehenes, wenn wir es noch einmal aufschreiben. Nennen wir das mal „Storyfication“. Dieser im Grund einfache Trick macht Vergangenes klarer und durchschaubarer. Diese Erinnerung brauchen wir, um gute wie auch schlimme Erlebnisse in unsere Lebensgeschichte integrieren zu können.
Solches Erinnern bedeutet also emotionale Entlastung – vielleicht auch von Schuldgefühlen oder belastenden Emotionen. Wenn wir uns das Wie und Warum eines Ereignisses noch einmal anschauen, werden wir daraus lernen. Und nicht nur die losen Enden beobachten.
Auch Liebe, Hass oder Eifersucht lassen sich positiver bewältigen, wenn wir sie in unsere Welt und damit in unser „Selbst“ integrieren. Anderenfalls drohen wir sie zu verdrängen (ja, auch Liebe…). Und was das bedeutet, weiß man heute: Verdrängung von schlechten Gefühlen gibt diesen noch mehr Energie. Und Verdrängung von guten Gefühlen ist mindestens Verschwendung.
Und: Wenn wir in unser Tagebuch nicht nur Blümchenträume und allgemeine Gedanken aufschreiben, sondern ehrlich mit uns umgehen, wird dies zu einem Ort der Selbstkritik – im positivsten Sinne. Denn indem wir uns selbst gegenüber ehrlich sind, können wir Kritik anderer besser annehmen und das Positive daran erkennen.
Zusammen genommen wird wird also das regelmäßige Aufschreiben der eigenen Erlebnisse und Gedanken schon nach kurzer Zeit so wichtig wie das Gespräch mit einem guten Freund, dem wir alles anvertrauen können. Das ist uns Menschen heute wichtiger denn je – denn wem können wir uns noch völlig ungeschminkt zeigen? Den Facebook-Freunden? Wohl kaum.
Kann Tagebuchschreiben auch krank machen?
Es gab mindestens eine Studie und einige Aussagen von Psychologen, dass Tagebuchschreiben auch krank machen kann. So hat ein Forscherteam der Glasgow Caledonian University 91 Tagebuchschreiber mit 41 Tagebuchschreibern verglichen. Die überraschende Konklusio waar, dass die Tagebuchschreiber mehr Kopfschmerzen, Schlafprobleme und psychosomatische Störungen haben. Allerdings gibt es noch eine Aussage, die mich fassungslos macht: Studienleiterin Elain Duncan sagte „Wir konnten nicht zeigen, was zuerst da war – das Schreiben oder die Gesundheitsprobleme.“
Es wurde also nicht die Wirkung gemessen, sondern die Merkmale der ziemlich kleinen Gruppe. Ich denke nicht, dass man daraus eine Meldung machen kann. Hier handelt es sich wohl darum, dass wieder jemand Korrelation mit Kausalität verwechselt.
Also lautet die Antwort auf die Frage, ob Tagebuchschreiben krank machen kann: nein.
Berühmte Tagebücer: Franz Kafka, Anne Frank und Kurt Cobain
Es gibt also gute Gründe, warum auch viele Promis – vor allem aus kreativen Berufen – täglich zum Stift greifen und in ein Notizbuch schreiben. Dazu gehörten in der Vergangenheit Franz Kafka, Thomas Mann, Virginia Woolf, Leo Tolstoi, Johann Wolfgang von Goethe aber auch Rudi Dutschke und Kurt Cobain. Wer von den aktuellen Promis ein Tagebuch führt, wissen wir – aus guten Gründen – natürlich nicht.
Das berühmteste Tagebuch ist natürlich das der Anne Frank: Und wer sich heute die Geschichte der Widerstandskämpferin noch einmal anschaut, wird sich innerlich vor ihr verbeugen. Würden wir so tapfer handeln? Wir können es nur hoffen. Und es gibt nicht wenige Historiker, die überzeugt sind, dass Anne Frank ohne Ihr Tagebuch kaum so stark geblieben wäre. Übrigens, interessantes Detail: Über lange Zeit hinweg formulierte Frank ihre Einträge als fiktive Briefe an verschiedene Mädchennamen und spielte darin selbst die eigenwillige Joop, die in den Briefen ihr aufregendes Leben schilderte. Damit nahm Anne Frank intuitiv eine psychologische Praxis auf, die erst seit Kurzem in der Psychotherapie zur Bewältigung von traumatischen Erlebnissen eingesetzt wird. Dies beruht auf dem narrativen (erzählerischen) Beschreiben der eigenen Geschichte.
Ein zweites, sehr beeindruckendes Beispiel für ein Tagebuch ist das „Rote Buch“ von Carl Gustav Jung. Dieses verfasste der berühmte Psychologe in der Mitte des letzten Jahrhunderts um sich – nach eigenen Worten – selbst zu therapieren. In diesem erst im Jahr 2009 veröffentlichten Werk setzt er sich schreibend und malend mit seinen Träumen, Visionen und Fantasien auseinander. C. G. Jung: „Ich habe an diesem Buch 16 Jahre lang gearbeitet. Dem oberflächlichen Betrachter wird es wie eine Verrücktheit vorkommen. Es wäre auch zu einer solchen geworden, wenn ich die überwältigende Kraft der ursprünglichen Erlebnisse nicht hätte auffangen können. Ich wusste immer, dass jene Erlebnisse Kostbares enthielten, und darum wusste ich nichts Besseres, als sie in ein ›kostbares‹, d.h. teures Buch aufzuschreiben …“
Er, der am Ende verstoßene Lieblings-Schüler von Psychologie-Übervater Sigmund Freud, hat sich also sozusagen beim Schreiben eines Tagebuchs selbst am Füller aus der Tinte gezogen. Das können wir ihm nachmachen.
Welche Arten von Tagebüchern gibt es?
Eigentlich (!) ist ein Tagebuch halt ein Tagebuch: ein analoges oder digitales Notizheft, in das die täglichen Gedanken und Gegebenheiten geschrieben werden. Doch das ist für unsere Welt natürlich viel zu einfach. Die Grenzen verschwimmen zwar, aber es gibt mindestens diese Tagebuch-Arten:
- das klassische Tagebuch: Ein Ort, in den – am besten täglich – die wichtigen Gedanken und Gefühle geschrieben werden.
- das Reisetagebuch: Wer sich mal wie Ernest Hemingway fühlen möchte, notiert auf Reisen seine Erlebnisse. Eine lohnende Zeit-Investition, die den Genuss der Reise noch erhöht.
- das Dankbarkeits-Tagebuch: Eine in der Positiven Psychologie verwendete Technik, mit der die grundsätzliche Stimmung gehoben wird und die sogar Depressions-Patienten entspannt.
- Schwangerschafts- und Baby-Tagebuch: Damit sich werdende und gewordene Eltern auch später noch an die wichtigen Themen erinnern können. Das kann dem reinen Genuss dienen – aber auch gesundheitlich wichtig sein.
- das Traumtagebuch: Der Begriff ist irreführend. Es geht primär darum, die eigenen Träume nachts oder spätestens morgen zu notieren, da diese ja einen Sinn und eine Wirkung für uns haben.
- ein Projekttagebuch: Jeder Projektmanager weiß diese Notizen, in denen er auch später noch findet, wer wann was eigentlich wirklich gesagt und getan hat.
- Literarische- und philosophische Tagebücher: Natürlich lassen sich auch große Gedanken in gut geschnitzten Worten täglich notieren. Das nennst du dann bitte, wie du willst.
Natürlich gibt es noch viele weitere Formen und manche dieser Tagebücher sollte man auch eher Journaling dazu sagen. Aber lassen seien wir mal nicht so pingelig.
Jedenfalls, als ich einige Zeit Probleme mit dem Magen hatte, musste ich genau aufschreiben, wann ich was gegessen habe. Dies hatte den verblüffenden Effekt, dass ich deutlich weniger gegessen habe. Warum? Erstens, weil es ziemlich nervig und peinlich ist, „Tafel Schokolade“ aufzuschreiben, wenn man mal wieder gesündigt hat. Und zweitens, weil man dann natürlich auch darauf aufmerksam wird.
Und genau das ist wohl auch der Effekt, warum Tagebuch schreiben so heilsam ist: Wir werden uns den alltäglichen Dingen, die wir ansonsten vergessen würden, bewusst und bauen diese in unser Denken ein.
Was schreibe ich ins Tagebuch?
Die Kurzanleitung lautet: Schreibe einfach alles in dein Tagebuch, was dir aufschreibenswert erscheint. Hier einige Inspirationen:
- Aufregende Erlebnisse, die dich aufgewühlt haben und die du nicht gleich mit jemandem besprechen willst.
- Ideen und Gedanken, die du vielleicht nebenher hattest – aber nicht vergessen willst.
- Wut, Begeisterung, Trauer oder andere Emotionen. Und natürlich, wie es dazu kam und wie du damit umgehen möchtest. Versuche auch mal zu beschreiben, wie sich die „Wut“ oder die gute Laune denn wirklich, ganz konkret anfühlt.
- Zukünftige Pläne („Ich möchte endlich abnehmen. Und zwar mache ich das so:…“ die du dadurch wahrscheinlicher umsetzt.
- Deine Story: Also die Handlungs-Stränge, von denen wir ja alle meist mehrere verfolgen (Arbeit, Beziehung, Geld, Freundschaften, die eigene Selbstoptimierung u.s.w.)
Wenn du es clever angehen willst und du dein Tagebuch digital führst, dann verwende für diese Punkte jeweils Tags oder Kategorien. So kannst du lesenswerte Stellen sogar wieder finden.
Die beiden Psychologen Gerardo Ramirez und Sian Beilock konnten nachweisen, dass Schreiben auch bei ganz profanen Nöten wie Prüfungsangst hilft: Sie baten Studenten vor einem Mathematik-Test ihre Ängste schriftlich zu formulieren. Eine Bitte, die gegen den sonst üblichen Rat verstößt, vor einer Prüfung positiv zu denken. Und doch: Die Kandidaten mit großer Prüfungsangst fürchteten sich danach im Durchschnitt weniger vor der Klausur – und schnitten im Test sogar besonders gut ab.
Mit anderen Worten: Schreib auf, welche Gefühle dich bewegen und tue es so ehrlich wie möglich. Als Achtsamkeits-Trainer kann ich bestätigen, dass allein der tägliche Umgang mit eigenen Gefühlen und das Benennen von Emotionen wohltuend wirkt.
Wenn dir das alles zu kompliziert erscheint, merke dir genau eines: Schreibe, was gerade wirklich ist. Beginne damit, wie es dir gerade geht und beschreibe, wie es dazu kommen konnte. Dann machst du alles richtig!
Hilfe bei Schreibblockaden
Ein Tagebuch kann dir übrigens auch bei einer Schreibblockade helfen – oder, besser, diese vermeiden. Denn durch das tägliche Schreiben bleibst du immer im „Flow“. Einige Teilnehmer haben auch berichtet, dass sie eine allgemeine Schreibblockade überwunden konnten, indem sie mit dem Schreiben eines Tagebuchs begonnen haben. Allerdings braucht das schon ein bis zwei Wochen…
Doch hier meine ich eine andere Schreibblockade: Was schreibst du in dein Tagebuch, wenn gerade emotional nichts geboten ist? Keine Sorge: Dann fang an und schreibe einfach so los. Vielleicht ist dir gerade nicht bewusst, dass sich hinter deiner positiven Haltung eine Traurigkeit oder etwas anderes verbirgt, was im Verborgenen sein Unwesen treibt. Also schreib. Und wenn das doch nicht der Fall ist – prima. Meist hilft es, als ersten Satz „Wie geht es mir denn gerade?“ oder ‚Jetzt mal schauen, was los ist.‘ zu schreiben – schon läuft es.
Wenn du allerdings eine „sinnvolle Blockade“ hast, wenn also dein Unterbewusstsein von einem Ereignis oder einem starken Gefühl so geschockt ist, dass es dich schützen und alles bei sich behalten will, hilft vielleicht dieser Trick: Schreibe aus den Augen eines anderen – vielleicht auch in erzählender, narrativer Form. Baue dir vielleicht eine kleine Geschichte, in der du selbst auftrittst. Dies stärkt deinen „Inneren Beobachter“ und bringt die notwendige Distanz zu den Ereignissen. Nun versinkt du nicht mehr im Jammertal, sondern besichtigst die schlimme Geschichte sozusagen „von außen“ und kannst diese dadurch verstehen lernen.
Auf jeden Fall wirst du die losen Enden deiner Eindrücke und die dich überwältigenden Emotionen durch das Schreiben in eine schlüssige Geschichte bringen. Und eine solche verleiht dem Geschehenen Sinn und integriert sie ins Bewusstsein. Grübeleien werden weniger, vielleicht schläfst du sogar besser. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass dadurch auch das Arbeitsgedächtnis entlastet und dadurch leistungsfähiger wird.
Andererseits: Wenn es dir wirklich schlecht geht und dein Unterbewusstsein Erlebnisse und Gefühle versteckt, ist es vielleicht auch mal Zeit, mit einem Therapeuten darüber zu reden. Versuche es mal…
Wie man ein Tagebuch schreibt
Ein Tagebuch ist das persönlichste und individuellste, das du jemals produzieren wirst. Deshalb will ich dir keine Form oder Inhalt diktieren. Das Wichtigste ist: Fang einfach an. Allerdings gibt es einige Entscheidungen, die du treffen kannst. Aber auch diese sind nur vorläufig. Denn wenn du heute dein Tagebuch auf dem Computer startest, ist es völlig in Ordnung, es später in einem schönen Notizheft mit Füller weiterzuführen. Oder andersherum. So wie du dich änderst, wird sich vielleicht dein Tagebuch ändern. Und trotzdem ein paar Fragen, auf die du so oder so stoßen wirst:
- Digital oder analog? Schreibst du lieber per Hand oder auf einer Tastatur? Ich habe eine Weile sogar auf dem Handy geschrieben. Denn das ist jederzeit zur Hand und du kannst immer und überall einen Eintrag verfassen. Probiere es mal aus.
- Die richtige Ansprache. Sprichst du mit dir? Gibt es einen Dritten, an den du das Tagebuch richtest? Bist du eher formal oder willst du deiner Wut so richtig ohne Filter Ausdruck geben? Bedenke dabei nur eines: Es gibt all diese Möglichkeiten. Vielleicht passt mal die eine, mal eine andere.
- Text, Bild, Foto. Wenn du willst, kannst du deinem Tagebuch natürlich auch Bilder und Zeichnungen oder Fotos beifügen. Manche machen jeden Tag EIN Foto und packen es zum Tagebuch. Das klingt nach einer guten Idee.
- Chronologisch oder chaotisch? Willst du narrativ, chronologisch oder grad so schreiben, wie es dir in den Kopf kommt? Wie du oben gelernt hast, kann eine Erzählung helfen, traumatische Ereignisse zu verarbeiten. Aber das heißt nicht, dass sie im Normalfall für dich die beste Form ist. Teste auch das aus.
Ich habe mir übrigens angewöhnt, auch im Tagebuch möglichst korrekt und – wenn ich von Hand schreibe – lesbar zu schreiben. Denn ich habe gemerkt, dass ich damit meine eigenen Inhalte etwas mehr wertschätze.
Nur eine Frage solltest du dir erst gar nicht stellen: öffentlich oder privat? Denn die Antwort ist ganz klar: privat! Du wirst niemals (!) deinen inneren Zensor ausschalten, wenn du weißt, dass es noch andere Menschen gibt, die dein Tagebuch lesen. Und genau diesen auszuschalten ist ja ein wichtiger Zweck der ganzen Übung. Deshalb: Schreibe nur für dich!
Einige Tipps zum Durchhalten
Vielleicht helfen dir die folgenden Tipps, dein Tagebuch selbst zu entwickeln.
- Tiefe Gedanken und nicht nur Belanglosigkeiten aufschreiben: Wie gesagt, es muss nicht immer ein kluger oder wichtiger Gedanke sein, den du formulierst. Wenn du aber tagelang nur nette Kleinigkeiten aufschreibst, solltest du darüber nachdenken, ob du die Sache wirklich ernst nimmst – und ob du möglicherweise etwas Schwerwiegendes verdrängst.
- Schlimme Erlebnisse auch mehrfach – vielleicht an drei Tagen hintereinander – aufschreiben: Leider ist es nicht so einfach, etwas wirklich Schlimmes einfach mal „wegzuschreiben“. Erinnere dich deshalb ganz bewusst daran, dass es klug ist, schwerwiegende Erlebnisse an mindestens drei Tagen nacheinander wiederholt aufzuschreiben. Womöglich aus verschiedenen Perspektiven. Auf jeden Fall wird dir die Wiederholung guttun.
- Solche schwerwiegenden Erlebnisse, wenn möglich, in eine „narrative“ Erzählform bringen. Schreibe diese schlimmen Erlebnisse auch mal wie eine Kurzgeschichte auf. Vielleicht auch mit dir in der dritten Person. Du wirst merken, dass du dann etwas Abstand dazu bekommst – der dir guttun wird.
- Gut, wenn es nicht nur ein „ICH“ sondern auch mal ein „WIR“ und andere Personen in der „Story“ gibt. Und nicht nur in der Story und bei schlimmen Erlebnissen. Wie sehen dich deine Freunde und Feinde? Willst du vielleicht einer verflossenen Liebe mal einen (fiktiven) Brief schreiben? Wer sind die nächsten Menschen um dich – und was zeichnet sie aus? Was würden die Außerirdischen denken, wenn sie dich oder deine Welt kennenlernen? Gedankenspiele, die dir helfen.
- Wer ist Mitglied in deinem Inneren Team? Wir alle haben verschiedene Stimmen in unserem Bewusstsein. Viele von uns haben einen inneren Kritiker, der an allem herummäkelt. Einige von uns hören manchmal die Stimme eines arroganten Klugscheißers. Und dann ist da – fast immer – auch ein inneres Kind, das vielleicht verzweifelt versucht, uns etwas zu sagen. Und so weiter … Was sagen diese Mitglieder deines inneren Teams zur aktuellen Gefühlslage? Versetze dich hin und wieder in diese Teammitglieder.
- Aktuelle Ängste vor einer Prüfung oder anderen Ereignissen, die dir Sorgen machen, gehören unbedingt ins Tagebuch.
- Wenn gerade kein tiefes Gefühl zum Aufschreiben ansteht, kannst du mit irgendeinem Satz im Hier und Jetzt beginnen. Beispiele hierfür sind: „Da habe ich ja mal wieder …“, „Ich würde jetzt gerne …“, „Was soll ich denn jetzt …“. Und, los geht’s!
- Schreibe täglich. Natürlich ist auch das keine fixe Regel. Aber es ist hilfreich: Nur, wenn du über einen Zeitraum von einem Monat täglich Tagebuch geführt hast, wird es dir in Fleisch und Blut übergehen. Erst dann wird es zum Freund, der immer da ist. Aber, natürlich: Du darfst auch zwei oder dreimal pro Tag hineinschreiben.
- Vielleicht auch lieber ein Journal? siehe hier …
Vielleicht willst du auch einfach nur täglich Automatisches Schreiben üben. Das ist auch immer eine vielversprechende Möglichkeit …
Die richtigen Tools fürs Tagebuch
Wie schon oben geschrieben: Natürlich ist ein ein solch richtiges Tagebuch mit Papier, in das du mit einem stilvollen Füller schreibst, am schönsten. Doch es gibt auch gute Gründe, digital zu schreiben. Ich schreibe derzeit viel lieber in mein Handy als sonst wo. Deshalb hier einige digitale Tipps für dein Tagebuch:
- Day One: Die vermutlich beste App für die Freunde des Tagebuchs. Denn Day One ist einfach überall – mittlerweile auch auf Android-Geräten. Du kannst darin verschiedene Tagebücher schreiben, diese ordentlich und sicher exportieren, und zwar inklusive Bilder, Tags und allem Drum und Dran. Day One ist meine aktuelle Tagebuch-Version.
- Diarium: Eine fast ebenso umfangreiche Lösung für das Schreiben von Tagebüchern ist das Diarium.
- Monkkee: Ein ganz anderes Konzept verfolgt Monkkee. Diese App gibt es nur im Web – aber so, dass sie auch prima mit dem Smartphone zu bearbeiten ist. Schick: Die Daten werden schon jeweils auf dem Gerät gesichert. Deshalb benötigst du dir keine Gedanken darüber zu machen, ob der Admin deine Aufschriebe lesen kann. Denn das kann er nicht. Der Preis ist dir überlassen (ein großartiges Modell, das man nicht durch eine zu geringe Schätzung ausnutzen sollte).
- Penzu: Auch ein App-Tagebuch, offenbar auch für Android. Soweit ich das sagen kann, ist Penzu in Ordnung, vielleicht nicht ganz so schick wie Day One
- Evernote: Natürlich! Auch mit Evernote kannst du täglich schreiben, solltest du vermutlich ohnehin. Also ich käme mir ohne Evernote nackt vor. Andererseits wünsche ich mir für mein Tagebuch gerade deshalb eine andere App …
- 1SE: Eine sehr moderne und außerordentlich reduzierte Art, Tagebuch zu führen ist 1SE. Mit dieser App nimmst du jeden Tag eine Sekunde Video auf und baust daraus einen eigenen Film. Nett.
Die Sache mit der Sicherheit ist übrigens ziemlich wichtig. Selbst, wenn du niemandem in deiner Umgebung zutraust, heimlich dein Tagebuch zu lesen: Solltest du dich für ein Papier-Tagebuch entscheiden, überlege dir, eines mit Schloss zu kaufen. Oder hast du eine abschließbare Schublade? Sicherheit ist beim Entwickeln dieser sehr persönlichen Gedanken sehr, sehr wichtig.
Eine neue Alternative: Dein KI-Tagebuch
Seit die Künstliche Intelligenz mit Wucht in der Welt ist, gibt es auch einige Tools, die ein KI-Tagebuch anbieten. Ich erachte das für eine ausgezeichnete Idee – da ich nach einer gewissen Zeit ja dann sozusagen mit meinen Gedanken von früher kommunizieren kann.
Leider ist die Tool-Auswahl dafür noch begrenzt und die Sorge vor Datenmissbrauch noch hoch. Wenn du dich trotzdem dafür interessierst, schau meinen Artikel dazu an.
Nun doch etwas zum „Journaling“ und dem „Bullet Journal“
Ich möchte doch einmal kurz auf das „Journaling“ eingehen. Denn diese Bücher werden mittlerweile auch „Tagebuch“ genannt – sind es aber nach meiner Definition nicht. Denn hierbei geht es eher um eine strukturierte, tägliche Schreibaufgabe. Das sage ich völlig ohne Wertung – denn das ist für denen einen Zweck und den einen Tagebuchschreiber eine gute Idee – für andere nicht.
Mir wird das Journaling schnell zu fad. Es geht darum, zum Beispiel jeden Morgen und jeden Abend drei Fragen zu beantworten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Das wird schnell zu einer guten Gewohnheit – und ist auch nachweislich gut fürs Gemüt. Allerdings wird das dann auch schnell zu Routine und Routine wird fad und ich höre damit auf.
Hier zwei Ideen, rund um diese Tagesbuchschreibsache:
- Hier meine aktuelle Idee, wie man Journaling, Tagebuch und sogar Automatisches Schreiben gut miteinander kombinieren kann.
- Interessant finde ich auch das Bullet Journal.
Egal! Hauptsache…
… du fängst an.
Der „Contentman“ hier und mein Newsletter dort sind meine Spielwiesen und digitale Chancen, meine Gedanken auszudrücken. Lange Jahre war ich Journalist – habe also vielleicht ein bisschen Tinte in meinem Blut. Mein Geld verdiene ich als Produktentwickler im Wort & Bild Verlag. .
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