Wenn du jeden Abend drei gute Dinge aufschreibst, die dir passiert sind, dann wirst du schon nach wenigen Wochen ein bisschen glücklicher. Versprochen. Die Übung „Drei gute Dinge“ macht dich nämlich glücklich – und das ist sogar wissenschaftlich belegt.
Ich weiß, das klingt unglaubwürdig, ja esoterisch. Und trotzdem: Mit diesem Versprechen bewege ich mich in wissenschaftlichen Grenzen. Und das ist die Schreibübung, die ich nach dem Automatischen Schreiben am liebsten mag. Die Technik kommt aus der Positiven Psychologie und diese ist im Gegensatz zum „Positive Thinking“ – wissenschaftlich fundiert.
Die Psychologie hinter dem Dankbarkeitstagebuch
Zuerst wurde der Begriff „Positive Psychologie“ 1954 von Abraham Maslow verwendet. Er wollte damit signalisieren, dass man als Psychologe nicht nur Krankheiten heilen – also Patienten wiederherstellen – sollte, sondern auch das Wohlbefinden gesunder Menschen steigern könnte. Damit ist dieser Zweig der Psychologie übrigens den Humanistischen Methoden (Carl Rogers, Viktor Frankl, Fritz Perls und Virginia Satir) sehr nahe.
Doch es dauerte fast ein halbes Jahrhundert, bis der Begriff der Positiven Psychologie von Martin Seligman aufgegriffen wurde, der Professor an der University of Pennsylvania ist. Als er 1998 zum Präsidenten der American Psychological Association (APA) gewählt wurde und schlug er in seiner Antrittsrede vor, dass sich die Forschung nun endlich mehr mit der Selbstentwicklung von Menschen statt nur mit Psychischen Störungen beschäftigen solle. Schon damals war er vorwiegend für seine Arbeit an der Idee von „erlernter Hilflosigkeit“ bekannt und konnte damit Soldaten helfen, die zuvor von Folter bedroht worden waren, und gab wichtige Impulse zur Behandlung von Depressionen geben. Wer sich mit seiner Forschung und den Ergebnissen beschäftigen will, dem sei das Buch Flourish – Wie Menschen aufblühen: Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens“ empfohlen.
Soviel zur Geschichte. Ach so: Natürlich ist das eine Übung, die sich gut im Rahmen von „Achtsamkeit“ entfalten kann. Es gibt wohl kein entsprechendes Training, in dem nicht auch zumindest einmal das Aufschreiben von Dankbarkeit empfohlen wird. Und, noch eins: Die Biohacker lieben diese Übung auch. Und jetzt genug mit den Vorschusslorbeeren 😉
Warum die „drei guten Dinge“ funktionieren
Das Aufschreiben von „Drei guten Dingen“ triggert gleich mehrere der in der Positiven Psychologie bekannten Faktoren für ein gutes Leben – hauptsächlich die „Positive Emotion“: Du schreibst auf, was du „Gutes“ (also nicht unbedingt „Großartiges“ oder „Außergewöhnliches“ aber halt „Gutes“) erlebt hast. Damit betonst du diese positiven Erfahrungen und wirst auch während der Übungszeit genauer darauf schauen, was dir Gutes widerfährt, wofür du dankbar sein kannst.
Mit den guten Dingen in unserem Leben ist das nämlich so eine Sache: Weil wir Jahrmillionen darauf angewiesen waren, täglichen Gefahren aus dem Weg zu gehen, hat unser Geist gelernt, dass Angst und Sorgen viel wichtiger als positive Gefühle sind. Und diese unterschiedliche Wertung angenehmer und alarmierender Empfindungen haben wir in der Zwischenzeit nicht verlernt. Eine Faustregel dafür gilt heute noch immer: Ein schlechtes Erlebnis (z.B. eine unberechtigte Kritik) wiegt fünfmal schwerer als ein gutes Erlebnis (z.B. ein berechtigtes Kompliment). Es ist also nur fair, wenn wir die Bewertung von guten Erlebnissen ein wenig positiv manipulieren.
Zusätzlich löst diese Technik auch das Gefühl von Dankbarkeit aus. Und auch dieses ist ein ganz besonderes Gefühl: Paul Mills von der University of California in San Diego hat die Auswirkungen von Dankbarkeit erforscht. Die Teilnehmer seiner Studien notierten einige Tage lang täglich Dinge, für die sie dankbar waren. Mit verblüffendem Ergebnis: Die Teilnehmer hatten auch noch Wochen später bessere Laune und schliefen besser – sogar ihre Entzündungswerte, die mit ihrer Herzgesundheit in Verbund standen, sanken je nach der Tiefe ihrer Dankbarkeit. An der Studie nahmen 186 Frauen und Männer teil, die seit mehreren Monaten unter „asymptomatischer Herzinsuffizienz, Stadium B“ litten.
Welche Vorgänge im Körper zu diesem Effekt führen, ist noch rätselhaft. Einen Hinweis dazu geben allerdings verschiedene Studien, die unter anderem nachweisen konnten, dass Dankbarkeit die Produktion von Dopamin und Serotonin anregt. Die beiden auch als „Glückshormon“ bezeichnet werden. Wie wissenschaftlich belastbar das alles ist, wird sich erst in der Zukunft zeigen. Allerdings klingt es für mich plausibel – das ist schonmal was.
Und wenn mein Leben nicht „gut“ ist?
Was aber, wenn dir keine drei guten Dinge pro Tag passieren? Ich bin mir sicher: Das kann nicht sein! Vielleicht erreichst du auf dem Weg zur Arbeit eine U-Bahn gerade noch. Das ist schon ein Grund für Dankbarkeit, oder du bekommst eine E-Mail mit einem kleinen Kompliment. Möglicherweise schaffst du es auch zwischen Büro und zu Hause ein wenig zu entspannen und besser gelaunt anzukommen. Oder, oder, oder.
Fest steht: Wir erleben viel (!) mehr gute Dinge, für die wir dankbar sein können als schlechte. Blöderweise haben wir ja (siehe oben) in den vergangenen paar Millionen Jahren gelernt, dass schlechte Dinge (Säbelzahntiger, Hunger, Lehensherren) viel dringender sind, weil sie gelegentlich sogar zum Tode führen. Deshalb haben wir unsere Antennen entsprechend eingestellt. Das war sinnvoll und vermutlich ein wichtiger Grund, warum die Menschheit überhaupt überlebt hat.
Du musst also kein großartiges Leben führen, um diese Übung zu machen. Es genügt, wenn du in deinem gewöhnlichen Leben deine Antennen neu justierst – und dabei hilft dir diese Schreibtechnik.
Und jetzt los: Schreibe über deine drei guten Dinge
Also, starte durch! Nimm dir in der nächsten Woche jeweils Nachmittags oder Abends ein paar Minuten Zeit und schreibe regelmäßig (gerne zwei Wochen, auf jeden Fall täglich) drei gute Dinge auf, die du erlebt hast. Vielleicht in dieser Form:
- Gib jedem der guten Ereignisse eine kurze Überschrift
- Notiere, was passiert ist und wie es dir dabei gegangen ist
- Denke darüber, wie es möglich war, dass das geschieht – und was dein Anteil daran war
Du musst dafür nicht viel Zeit aufwenden. Vielleicht wird dir am ersten Tag nichts einfallen. Und möglicherweise kannst du dich nicht daran erinnern, wie du dich gefühlt hast oder wie es dazu kam, dass es passiert ist. Ich bin mir aber sicher, das wird sich am zweiten, spätestens am dritten Tag geändert haben. Ich wette, diese Dankbarkeitsübung wird sich im Laufe des Tages immer wieder in deine Erfahrungen und Gedanken schleichen. Und sich gut anfühlen.
Ach so: Bitte versuche, die drei Dinge von Hand aufzuschreiben. Ist irgendwie besser…
Zwei Wochen, das reicht
Also los! Das Großartige ist: Du brauchst nun nicht dein Leben lang abends über deine Erlebnisse zu berichten. In Studien hatten sich nach zwei Wochen die Wohlfühl-Werte der Schreiber von Dankbarkeitstagebüchern so stabil verbessert, dass dies mehrere Monate anhielt. Naja, vielleicht haben die Teilnehmer nach zwei Wochen die Welt auch durch etwas andere Augen gesehen. Wer weiß. Probiere es aus!
Falls du dann noch nicht genug von der „Dankbarkeit“ hast, wird es vermutlich Zeit, ein Dankbarkeitstagebuch zu beginnen.
Der „Contentman“ hier und mein Newsletter dort sind meine Spielwiesen und digitale Chancen, meine Gedanken auszudrücken. Lange Jahre war ich Journalist – habe also vielleicht ein bisschen Tinte in meinem Blut. Mein Geld verdiene ich als Produktentwickler im Wort & Bild Verlag. .