Slow writing: der lehrsame Genuss der Langsamkeit

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Jetzt auch noch Slow Wrting? Ausgerechnet? Ja. in der US-Literaturszene wird das gerade zu einem Geheimtipp. Slow Writing wehrt sich gegen die schnelle Produktion von Texten – und wirkt deshalb besonders zeitgemäß. Vor allem, wenn es um Kreativität und um die eigene Seele geht.

Slow writing
Slow Writing: Ein … Wort … nach … dem … anderen. (Foto: Paul)

Und wie es sich immer mit Trends verhält: Den Begriff Slow Writing füllen verschiedene Strömungen. Mir gefallen alle, deshalb fasse ich sie zusammen.

Das schnellste Slow Writing

Schreibe per Hand, was dir durch den Kopf geht. Schreibe Wort für Wort. Reflektiere, streiche, verbessere. Schreibe auf jeden Fall langsamer, als du es ertragen kannst.

Slow Writing ist ein bisschen wie das Stille Sitzen in der Meditation: quälend. Deshalb wird es häufig nach wenigen Übungseinheiten abgebrochen. Bevor das passiert, baue eine Zusatzaufgabe ein:

Schreibe sehr, sehr schön. Jeder Buchstabe entsteht in einem ruhigen Schwung und verbindet sich mit seinen Nachbarn zu eleganten, wie gestochenen Wörtern. Bleibe immer auf Linie und versuche die Buchstaben mit Schnörkeln zu verschönen. Wenn du willst, nimm Farben hinzu oder male kleine Bilder oder Icons dazu.

Das reizt noch mehr Sinne und hat einen verlangsamenden Effekt. Wer mal einen Blick ins „Rote Buch“ von C.G. Jung geworfen hat, weiß, warum ich das vorschlage. In diesem überdimensionierten Tagebuch hat der große Psychologe seine Träume und seine Verzweiflung verarbeitet – ich würde sagen, mit „schreibender Achtsamkeit“.

Übrigens: Alle hier genannten Übungen werden von Hand geschrieben. Hier dazu mehr.

Das strukturierte Slow Writing

Der Begriff wurde schon 2008 von David Didau verwendet: Er beschreibt damit eine schöne Übung für Schreibschüler, die Kreatives Schreiben lernen möchten. Hierbei wird über ein vorgegebenes Thema geschrieben, und zwar mit exakt definierten Anweisungen für jeden einzelnen Satz. Das kann sein, dass der erste Satz mit einem Adverb starten soll, der zweite nur drei Wörter lang sein darf und der dritte ein Smiley enthalten muss. Das klingt mechanistisch, ist allerdings eine gute Schulung für Schreib-Einsteiger, die normalerweise mehr darüber nachdenken, was sie schreiben, als das WIE. Und genau das ist einem professionellen Umfeld auch wichtig.

Mit Slow Writing Schreiben lernen

So könnten die Anweisungen aussehen:

  • Schreibe über das Thema „Slow Writing“
  • Der erste Satz muss mit einem Verb in der Gegenwart starten.
  • Der zweite Satz darf nur drei Wörter lang sein.
  • Der dritte Satz muss ein Semicolon enthalten.
  • Der vierte Satz soll eine rhetorische Frage enthalten.
  • Der fünfte Satz muss mit einem Adverb starten
  • Der sechste Satz muss exakt 22 Wörter enthalten.

Das klingt schwer? Ist es auch. Doch du kannst dir vorstellen, was dabei alles gelernt wird.

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Slow Writing mit Inhalt

Vier Jahre später beschrieb Didau – fast schon überrascht – welche positiven Effekte er beobachten konnte. Wie sich diese Übung auch auf die Kreativität auswirkt. Je, nachdem, wie die Anweisungen lauten. Wenn er inhaltliche Anweisungen gab, mussten die Schreibschüler inhaltlich die Wörter und den Inhalt durchdenken:

  • Schreibe zum Thema „Künstliche Intelligenz für Texter:innen“
  • Der erste Satz startet mit „Noch vor wenigen Monaten…“
  • Der zweite Satz enthält das Wort „Google“.
  • Der dritte Satz beginnt mit einer rhetorischen Frage.
  • Der vierte Satz ist maximal vier Wörter lang.
  • Der fünfte Satz beginnt mit dem Wort „Zugegeben …“

Das zwingt dich in eine inhaltliche und formale Denktiefe. Versuche es einmal.

Und nun: Achtsames Slow Writing

Auf dieser Basis habe ich „Achtsames Slow Writing“ entwickelt. Versuche es mal:

  • Schreibe über deine Wahrnehmung jetzt in diesem Moment.
  • Der erste Satz beginnt mit „In mir“.
  • Im zweiten Satz stellst du dir eine relevante Frage.
  • Der dritte Satz benennt ein gerade aktuelles Körpergefühl.
  • Der vierte Satz besteht aus nur drei Wörtern.
  • Der fünfte Satz enthält eine Aufzählung.
  • Im letzten Satz verwendest du „für mich“.

Literarisches Slow Writing

Slow Writing als Schreibmethode für professionelle Autor:innen ist eine gute Möglichkeit, das Denken und auch den Stil zu verfeinern. Beides schulen wir nicht, wenn wir gerade an unserem Roman oder an einem Marketing-Posting für LinkedIn schreiben. Die Praktizierenden werden also dazu ermutigt, sich Zeit zu nehmen, auf die Details zu achten und ein bewusstes Schreiben zu praktizieren, anstatt schnell Ideen aufs Papier zu bringen.

Diese Technik hat viele Anhänger in der amerikanischen Literaturgemeinschaft gefunden, besonders unter Schriftstellern und Autoren, die einen sorgfältigeren und bedächtigeren Schreibansatz verfolgen. Der genaue Ursprung dieser Methode ist schwer zu bestimmen, da das Konzept des langsamen, bedächtigen Schreibens in vielen Kulturen und über lange Zeiträume hinweg existiert hat.

Und so geht das:

  1. Setze dir ein Zeitlimint: Anstatt auf eine Wortanzahl zu zielen, setze dir ein Zeitlimit für deine Schreibaufgabe. Es könnte eine Stunde am Tag sein oder sogar weniger, je nachdem, was für dich funktioniert.
  2. Schreibe von Hand: Das Schreiben von Hand zwingt dich, langsamer zu denken und sorgfältiger mit deinen Worten umzugehen. Wenn du normalerweise auf einem Computer schreibst, verwende stattdessen ein Notizbuch und einen Stift.
  3. Überarbeite beim Schreiben: Nimm dir die Zeit, deine Sätze und Absätze während des Schreibens zu überarbeiten und zu polieren. Dies ist ein bewusst zäher Ansatz – normalerweise schreiben wir „im Flow“ schnell und überarbeiten später.
  4. Nutze einen langsameren Schreibprozess: Anstatt schnell zu schreiben, konzentriere dich darauf, jeden Satz sorgfältig zu formulieren. Dies kann bedeuten, dass du längere Pausen zwischen den Sätzen einlegst, um über das nachzudenken, was du als Nächstes schreiben möchtest.
  5. Setze dich mit deinem Thema auseinander: Verbringe mehr Zeit mit der Erforschung und Reflexion über dein Thema, bevor du zu schreiben beginnst. Das kann helfen, deine Gedanken zu klären und dir eine tiefere Einsicht in das zu geben, was du schreiben möchtest.

Slow, nicht entspannt Schreiben

Offensichtllich ist, das Slow Writing nicht unbedingt entspannend wirkt. Darum geht es auch nicht. Selbst beim achtsamen Slow Writing steht der Lerneffekt im Vordergrund – der nur durch die Langsamkeit erreicht wird. Falls dir das zu anstrengend ist, findest du hier 30 andere Übungen fürs Kreative Schreiben.

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Kommentare

Eine Antwort zu „Slow writing: der lehrsame Genuss der Langsamkeit“

  1. Avatar von Gerd Griesohn
    Gerd Griesohn

    Danke für den Artikel „slow writing“. Seit drei Jahren schreibe ich Tagebuch. Ich werde das langsame Schönschreiben ausprobieren. Mir gefällt das Schreiben mit dem Füllfederhalter immer besser. Ich schreibe kaum noch auf PC oder IPad.

    Gruß

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