Mit dem Schreiben starten

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Nein, die Schule und die Hochschule bereiten uns nicht auf das professionelle Schreiben vor. Zwar können wir die Fertigkeiten gut verwenden, die wir dort lernen: Rechtschreibung, Grammatik, Textanalyse und so weiter. Allerdings fordert uns „professionell Schreiben“ an anderen Stellen. Oft schreiben Texter:innen nämlich nach einem schlechten Briefing, in ein nicht definiertes Format, ohne Feedback und das gleich mehrere Stunden am Tag.

Viel ist oft von der Schulschreibbildung nicht übrig… (Foto: Eric)

Wie du mit KI lernst, bessser zu schreiben, habe ich in diesem Artikel aufgeschrieben.

Die eigene Text-Perspektive entwickeln

Zugegeben, ich male das hier sehr düster aus. Doch wie sollen wir uns denn fühlen, wenn alle glauben, unseren Job zu beherrschen? Und glaube mir: Das tun sie. Gerade junge Autor:innen bekommen von ihren Chef:innen häufig sehr unpassende Kritik, in der die Formulierung „das ist schlecht geschrieben“ für alles Mögliche steht – nur nicht für eine sinnvolle Kritik. Etwa, dass vielleicht nicht die persönliche Meinung getroffen wurde oder der Text zu lang oder zu kurz ist. Ich kenne auch die Anforderung „Schreibe 1.000 Wörter über Kleiderbügel – aber bitte unterhaltsam und spannend.“ Was sollte ich nur damit anfangen? Ich übertreibe ein wenig, ja. Allerdings nicht sehr.

Das Problem lässt sich so zusammenfassen: Unsere Leser:innen blicken aus unterschiedlichen Perspektiven auf unser Ergebnis, aber bewerten es im Ganzen. Dafür müssen wir uns schützen.

Du kennst die buddhistische Parabel vom Elefanten und den blinden Männern? Darin untersuchen blinde Menschen einen Elefanten an jeweils einer Stelle, also der eine am Schwanz, der andere am Rüssel und einer den Fuß. Danach sollen sie beschreiben, was denn ein Elefant sei. Die Antworten, das kannst du dir vorstellen, sind sehr unterschiedlich und das Ganze endet in einer Prügelei.

Die Lehre daraus ist klar: Wir müssen uns bewusst machen, dass jeder Mensch eine eigene Perspektive hat und diese auch auf unsere Texte überträgt. Deshalb ist es – einerseits – wichtig, unsere Texte so zu gestalten, dass sie für möglichst viele Menschen verständlich sind. Und dass wir andererseits wir eine eigene Perspektive entwickeln müssen, mit der wir in die Textproduktion gehen.

Ach ja, und dass ein gutes Briefing wichtig ist. Dazu hier mehr.

Also lass uns behutsam aber nachhaltig mit dem professionellen Schreiben beginnen. Das Angenehme ist: Dieser Schritt ist äußerst einfach, wenn auch anstrengend. Denn für den Start reicht es, Routinen zu etablieren. Statt – wie bisher – deine 16 Wachstunden am Tag mit etwas anderem zu füllen, musst du nur eine Stunde davon in das Schreiben investieren. Und zwar nicht in die Textproduktion (das kommt später), sondern in das Schreiben allgemein.

Also, los geht’s!

Erste Regel: Täglich bewusst schreiben

Mache diese Regel zu einem diskussionsfreien Raum. Eine Stunde am Tag. Das ist nicht viel – benötigt aber viel Disziplin.

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Jedenfalls ist tägliches Schreiben wie das Training von Muskeln beim Sport. Je mehr wir schreiben, desto besser werden wir darin. Wir entwickeln eine Routine, die uns hilft, Ideen zu generieren, unsere Gedanken zu ordnen und unsere Schreibfertigkeiten zu verbessern. Außerdem hilft uns tägliches Schreiben dabei, unsere Ideen und Gedanken aufzuschreiben, bevor sie in Vergessenheit geraten

Beginne mit einem Ziel: Was möchtest du mit deinem täglichen Schreibprozess erreichen? Natürlich diese Routine entwickeln. Allerdings lassen sich noch weitere Ziele entwickeln. Hier einige Vorschläge:

  • Das Tippen am Computer professionalisieren. Also schneller und mit weniger Fehlern schreiben.
  • Aktuelle Gedanken speichern. Welcher Art auch immer und in welcher Form auch immer.
  • An den ersten Ideen feilen für dein Schreibprojekt oder einen Job .
  • Die Gedanken mal völlig frei fliegen lassen.

Was spricht dich davon an? Und du siehst: Beim täglichen Schreiben geht es nicht um ein Produkt, das hergestellt wird. Es ist aber möglich, diese Zeit produktiv zu gestalten.

Wichtig ist wirklich nur eins: täglich bewusst schreiben.

Natürlich schreibst du jeden Tag ohnehin viele E-Mails oder Konzepte. Vielleicht sitzt du auch schon an Textproduktionen. Das sind alles Schreibprozesse. Allerdings schreibst du währenddessen nicht bewusst. Das tägliche Schreiben solltest du ohne Produkt-Druck, ohne Mitteilungs-Druck und mit der Fokussierung auf das Schreiben erledigen. Natürlich kannst du nach etwas Übung auch bewusst E-Mails oder Konzepte schreiben. Aber so ganz dasselbe ist es nun mal nicht.

Hier einige Ideen, wie du das tägliche Schreiben in den Alltag integrieren kannst:

  1. Finde einen festen Zeitpunkt am Tag, zu dem du jeden Tag schreibst. Ob das am Morgen, Mittag oder Abend ist, hängt von deinem Zeitplan ab. Wichtig ist, dass du dich an den gewählten Zeitpunkt hältst. Setze dir einen Wecker und halte dich daran.
  2. Finde einen festen Ort zum Schreiben. Das kann dein Büro, dein Schreibtisch zu Hause oder ein Café sein. Der Ort ist nicht wichtig und muss nicht einmal besonders still sein. Es ist allerdings hilfreich, wenn es ein Ort ist, an dem du nicht viele ähnliche Tätigkeiten machst. Das Büro ist deshalb möglicherweise nicht der beste Ort.
  3. Finde eine Routine für den Start und das Ende. Wenn du morgens nach dem Aufstehen schreibst, ist das nicht so wichtig. Während der Arbeitszeiten benötigt dein Körper und dein Geist dagegen deutliche Hinweise, dass es nun ums tägliche Schreiben geht. Das kann eine Musik, ein besonderer Duft oder eine kurze Atemübung vorher sein. Und danach gibt es als formalen Abschluss einen Kaffee oder wieder eine kleine Atemübung. Sei kreativ bei diesen Routinen.

Regel 2: Schreibziele setzen und Fortschritte verfolgen

Das ist eine Grundlage für deine tägliche Schreibroutine! Die nächste Regel ist das Setzen von Schreibzielen und die Verfolgung deiner Fortschritte.

Mit Schreibzielen fokussierst du dich auf das Wesentliche und motivierst dich, dranzubleiben. Überlege dir also, was du in dieser einen Stunde Schreiben erreichen möchtest. Du kannst auch einen Blogbeitrag ausarbeiten oder deine Gedanken zu einem bestimmten Thema festhalten. Ich arbeite in dieser Zeit auch gelegentlich an einem Buchkonzept. Und natürlich ist das kein Schreiben im klassischen Sinne, aber es bringt meine Schreiberei weiter.

Im Gegensatz zu anderen Zielen, die nur „konkret, messbar und erreichbar“ sein müssen, sind kreative Ziele nicht einfach zu definieren. Wie willst du die Qualität eines Blogbeitrags messen? Deshalb lohnt es sich, individuelle Metriken zu entwickeln. Hier einige Vorschläge aus meinen Coachings, die geholfen haben:

  • Menge: Während ich ein Buch schreibe, nehme ich mir eine tägliche Wortzahl vor. Das klingt zu einfach, ist es aber nicht. Denn auf diese Weise treibe ich meine Gedanken an. Überarbeiten werde ich nachher ohnehin noch einmal alles. In der Manuskriptphase sind also Zeichen- oder Wortzahlen tolle Ziele.
  • Zeit: Auch das klingt zu einfach. Wenn du dir allerdings einen Kalender aufhängst, auf dem du die Tage markierst, an denen du wirklich eine Stunde geschrieben hast, wird dir das helfen. Oder lade dir einen Habit-Tracker auf das Smartphone.
  • Ergebnisse: Ein guter Blogbeitrag ist nicht in einer Stunde zu schaffen. Aber vielleicht in zwei? Und eine Überarbeitung dauert tatsächlich meist nur eine Stunde. Du kannst also an deinem Blog sehen, wie viel du schaffsst. Stelle dir nur vor, dass du also pro Woche einen neuen Beitrag schreiben, zwei überarbeiten kannst und dann noch Zeit für Schreibübungen oder Konzeption hast. Und notiere dir das.

Also: Bastle dir deine eigenen Ziele – und dokumentiere sie so, dass du stolz darauf sein kannst.

Regel 3: Kreativ bleiben

Eine Schreibblockade ist eines der nervigsten Dinge überhaupt. Meist merken wir zuerst gar nicht, dass wir darunter leiden. Um sie wirksam zu bekämpfen, gibt es einige Strategien, die sich bewährt haben. Hier sind meine Favoriten:

  • Schreibübungen machen: Es gibt Schreibübungen, die dir helfen können, deine Kreativität zu stimulieren. Eine Option wäre, einfach mal ein Genre auszuprobieren, das du bisher noch nicht geschrieben hast. Hier 33 Übungen.
  • Freewriting / Automatisches Schreiben: Setze dich hin und schreibe einfach los, ohne dir Gedanken darüber zu machen, wie gut oder schlecht es ist. Schreibe einfach. Mehr musst du dazu eigentlich nicht wissen. Falls doch, lies hier.
  • Eine Schreibpause: Das klingt kontraintuitiv – und ist deshalb auch hilfreich. Zwinge dich, zwei Wochen gar nicht zu schreiben. Jedenfalls nichts, was kreativ sein könnte. Und probiere es dann noch einmal.
  • Reden statt schreiben: Vielleicht brauchst du nur einen anderen Kanal? Nimm dein Smartphone und diktiere Texte. Vielleicht hilft das?

Wenn dir diese Tipps nicht helfen, solltest du genauer schauen, was hinter der Schreibblockade steckt. Vermutlich versucht dir dein Unterbewusstsein damit etwas zu sagen. Rede mit jemandem darüber, der aufmerksam zuhören kann.

Regel 4: Die Kunst der Selbstkritik und Überarbeitung

Wie auch immer du es angehst, dein Schreiben wird zu einem Ergebnis führen. Dies kann der Moment sein, an dem du die Lust verlierst. Denn das Ergebnis wird nicht perfekt sein. Die gute Nachricht ist, dieses Unperfekte liegt nicht daran, dass du Einsteiger bist. Es liebt daran, dass jeder Schreibprozess mehrere Stufen hat: Idee > Manuskript > redigierte Form > Veröffentlichung.

Das Schreiben verlangt so viele komplexe Denktätigkeiten von uns, dass wir das niemals in einem Schritt schaffen werden. Niemand schreibt veröffentlichungsfertig. Und das ist die schlechte Nachricht: Nach dem ersten Schreibdurchgang wartet immer noch eine Menge Arbeit auf dich. Der Inhalt und der Text müssen überarbeitet werden. Eine Faustregel für Buchautor:innen dafür lautet, dass das Überarbeiten ebenso lange dauert wie das Schreiben. Oder länger…

Doch die wirkliche Hürde ist oft nicht das Überarbeiten, sondern die kritische Betrachtung WAS überarbeitet werden muss. Dafür benötigst du ein Feedback, auch wenn es von dir selbst stammt. Dann heißt es „Selbstkritik“. Und ich empfehle dir, hier möglichst kritisch heranzugehen. Denn dann wird jedes Feedback von außen freundlicher ausfallen.

Ich schlage dir drei Stufen der Überarbeitung vor:

  1. Stufe: ausreichend Ruhe. Lass den Text eine Weile ruhen, mindestens eine Nacht. Und nimm ihn dir erst dann wieder vor.
  2. Stufe: inhaltliche Prüfung. Rufe dir noch einmal die Ziele und die Zielgruppen, die du erreichen wolltest, in Erinnerung. Und prüfe bei einem recht flüssigen, schnellen Lesevorgang, ob du diese erreicht hast.
  3. Stufe: laut lesen. Lies dann den Text mindestens einmal laut und markiere dir alle Stellen, an denen dir die Stimme versagt und du ins Stottern kommst. An diesen Stellen musst du nacharbeiten.

Es wird noch weitere Kriterien geben. So wird es eines Tages wichtig sein, störende Wörter, Sätze und Informationen zu eliminieren. Und vielleicht möchtest du auch den Stil verbessern oder SEO-Regeln befolgen. Darüber kannst du woanders viel lesen. Für dich und für den Einstieg werden diese drei Schritte ausreichend sein. Vertraue mir.

Zur Überarbeitung gehört natürlich auch das Feedback von außen und der Umgang mit Kritik. Lies hierzu Feedback geben, nehmen und ignorieren. Ja, richtig gelesen: Es ist nicht nötig, nicht einmal sinnvoll, jedes Feedback auch wirklich zu beherzigen.

Was du als Schreib-Einsteiger nicht tun solltest

Soviel also dazu, was du tun solltest. Aber es gibt auch manche Dinge, die du als Schreib-Einsteiger lieber vermeiden solltest.

Zu stark vergleichen: Es kann zwar inspirierend sein, Werke anderer Autor:innen zu lesen. Aber achte darauf, dich nicht zu sehr mit ihnen zu vergleichen und dich dadurch entmutigen zu lassen. Jede:r hat seinen eigenen Stil und jeder Schreibprozess ist individuell. Außerdem siehst du als Leser:in immer nur die fertigen, redigierten und produzierten Texte. Du produzierst Rohmaterial – das ist nur begrenzt vergleichbar.

Zu viel Zeit mit dem Perfektionieren verbringen: Ja, es ist wichtig, dass du dein Werk überarbeitest und Verbesserungen anbringst. In der Überarbeitungsphase ist für manche Textstellen (wie die Headline oder der Einstieg) sogar ein recht pingeliges Vorgehen hilfreich. Doch kein Text wird perfekt sein. Es gibt viele bekannte Autor:innen die ihre eigenen Artikel oder Bücher nach der Produktion nie wieder lesen. Weil sie es schlicht nicht ertragen. Verschenke also keine wertvolle Lebenszeit.

Einen eigenen Stil entwickeln: Der beste Schreibstil ist schnörkellos, verständlich und konkret. Das ist alles. Falls du versuchst, mit lustigen Metaphern oder wortgewaltigen Beschreibungen zu glänzen, werden deinen Leser:innen darunter leiden. Denn sie finden das alles gar nicht so lustig und wortgewaltig. Ja, es gibt Autor:innen, die einen eigenen, prägnanten Stil pflegen. Doch du und ich haben bisher zu wenig geschrieben, um uns das leisten zu können. Wie? Du liest in anderen Schreibratgebern, dass genau das notwendig und hilfreich ist? Ein letztes Mal: Vertraue mir.

Die Qualität kommt von ganz allein

Natürlich möchtest du so perfekt wie möglich schreiben, besser als die anderen und von deinen Leser:innen erkannt werden. Und das wird dir auch gelingen. Doch das dauert.

Es gibt im Grunde nur eine Voraussetzung, die du als Autor:in erfüllen musst: Du musst gerne schreiben. Denn die Qualität kommt mit der Masse. In jeder Stunde, in der du schreibst, wirst du ein wenig besser. Jeder Text, jeder Satz, jedes Wort formt deine Schreibkunst. Sehr langsam, aber äußerst stetig. Und wenn du nicht gerne schreibst, wird dir das zu lange dauern.

Deshalb prüfe, ob du gerne schreibst. Wenn das der Fall ist, mache das, was du gerne tust und schreib.

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