In den vergangenen Monaten habe ich sehr viel im Team mit der KI geschrieben. Das hat mal mehr, mal weniger reibungslos funktioniert. Es gibt allerdings einen Appell, den ich loswerden muss: Schreibt eure Texte (auch) ohne KI.
Mutig sein
Das Verändern von Gewohnheiten benötigt Mut. Das merken wir Autor:innen derzeit, wenn wir unsere Texte mit der KI zusammen schreiben. Es braucht aber auch Mut, um sich gelegentlich gegen die Veränderungen zu stellen, die anscheinend so alternativlos sind. Zum Beispiel, dass ohne KI demnächst gar nichts mehr geht. Und das prompten das neue Texten ist. Das halte ich – mit Verlaub – für Unsinn.
Damit möchte ich keine Qualitäts-Debatte lostreten. KI kann teils eingängiger schreiben als Menschen. Das ist unbestritten. Doch wer denkt, dass es keine Autor:innen mehr braucht, macht einen Skalierungsfehler. Hä?
Es ist wie mit dem Wirtschaftswachstum oder dem kostenlosen Internet: Beides war immer alternativlos. Und wir sehen jetzt, dass auf einer einzigen, begrenzten Weilt die Wirtschaft nicht unbegrenzt wachsen kann. Und es zeigt sich auch, dass das Internet allein mit kostenlosen, werbefinanzierten Inhalten nicht funktionieren kann. Gerne diskutiere ich beides ausführlich, allerdings nicht hier.
Am Internet sehen wir aber auch etwas anderes: Wer frühzeitig begonnen hat, gegen diese “alternativlose” Regel zu verstoßen und Bezahlinhalte zu entwickeln, hat jetzt die Nase vorn.
Und das ist, was ich mit diesem Text sagen möchte: Eine Welt ohne Autor:innen und Texter:innen wird es nicht geben. Allerdings werden das Menschen sein, die (noch) gut, interessant, elegant, schlau, treffend, souverän und professionell schreiben KÖNNEN. Und Schreiben trainieren wir durch schreiben.
Außerdem ist mir ein Grund mehr eingefallen, Texte NICHT mit der KI zu schreiben als MIT. Also los.
4 Gründe, mit KI zu schreiben
- Weil die KI schneller schreibt: Mit dem richtigen Prompt können wir ChatGPT dabei zusehen, wie die Maschine schreibt. Zwar müssen wir diesen Prompt schreiben und haben einiges an Nachbereitung zu erledigen – aber in der Summe geht das wohl ein wenig schneller.
- Weil die KI weniger Schreibfehler macht: Beim Korrekturlesen und Editieren ist mir die KI haushoch überlegen. Sie kann Grammatikfehler, Rechtschreibfehler und Stilprobleme in einem Durchgang aufdecken, Korrekturen vorschlagen und diskutiert nicht darüber, wenn ich mich anders entscheide. Außerdem kann die KI bei der Überprüfung der Kohärenz und Klarheit des Textes helfen.
- Weil die KI mehr weiß (sogar mehr, als es real gibt): Wenn ich etwas schreiben muss, bei dem ich mir unsicher bin, hilft die KI mit Informationen und mit Stil aus. Ich habe von ChatGPT viel über die Art gelernt, wie LinkedIn-Beiträge geschrieben werden. Davon habe ich viel wieder verworfen – aber zumindest ein “erwartbares” Beispiel vor mir gehabt. Dieses Weltwissen hilft auch bei der Sammlung von Informationen. Auch, wenn diese teils falsch und gelogen sind. Denn immerhin sind diese Fake-Facts ja „wahrscheinlich“. Ich muss also alles checken. Aber die Antwort auf die Frage, warum die KI das erfindet, ist meist recht interessant.
- Weil die KI gut gebrieft werden muss: Seit ich mit KI schreibe, mache ich mir mehr Gedanken darüber, was ich eigentlich sagen will. Das Schreiben von Prompts (also den Befehlen für die KI) beinhaltet ja ein sehr konkretes Briefing. Dieses passen wir ja manchmal sogar mehrfach an, wenn das Ergebnis Mist ist. Seit ich mir diese Meta-Gedanken zu den Texte bewusst mache, lerne ich auch viel darüber, wie ich selbst schreiben sollte.
5 Gründe, trotzdem ohne KI zu schreiben
- Weil ich keine erwartbaren Texte veröffentlichen will: Eine KI kann nicht alle Texte perfekt generieren. Ihre Stärke liegt darin, das Erwartbare zu formulieren. Das kann sinnvoll sein. Wenn ich in meinen Blog oder meinen Newsletter schreibe, ist das Erwartbare allerdings nur ein Teil des Deals. Das, was die KI für mich schreibt, würde sie auch woanders schreiben. Wozu dann überhaupt so etwas Persönliches schreiben?
- Weil es länger dauert: Schreiben ohne KI dauert länger. Jedenfalls der Schreibvorgang selbst; der verschwindet fast vollständig. Allerdings entstehen in meiner Schreibstube genau während dieser Zeit die weiterführenden und vielleicht sogar die besten Gedanken. Das ist der Moment, in dem ich Informationen analysiere und organisiere und meine kritische Denkfähigkeit schule. Wenn ich mit KI schreibe, benötige ich mehr Zeit für das Prompten, das Prüfen des Geschriebenen und das Redigieren. In dieser Zeit springe ich hin und her und führe keine Gedanken weiter. Das fehlt mir.
- Weil das Schreiben meine Sprachfähigkeit trainiert: Beim Schreiben werden eine Menge Areale im Gehirn benötigt. Dazu gehören Regionen, die für die Wortfindung, das Sprachvermögen, das das kreative Denken und auch das Organisieren von Informationen zuständig sind. Durch das regelmäßige Schreiben ohne KI trainiere ich diese Fähigkeiten und meinen Ausdruck. So drücke ich mich immer besser und präziser aus und lerne, meine Gedanken klarer zu formulieren. Wenn ich nur noch mit KI schreibe, werde ich demnächst so sprechen wie die KI.
- Weil ich auch noch in Zukunft als Autor arbeiten will: Ich habe derzeit keine Idee, wohin der Einsatz von KI führt. Manche Zukunfts-Szenarien erscheinen mir übertrieben, andere sind noch nicht einmal gedacht. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir Texter:innen in wenigen Jahren in einer stark veränderten Umgebung arbeiten werden. Vielleicht wird die Masse der Texte dann erwartbarer und nur wenige sind noch in der Lage, für ihr Nischenpublikum selbst zu schreiben. Zu denen will ich dann gehören.
- Weil ich es liebe zu schreiben: Es ist sehr vielfältig, was ich tagsüber erledige, um mein Leben mit Sinn zu füllen und mein Geld zu verdienen. Ich plane, rede, präsentiere, konzeptioniere, rede, überzeuge, lese, rede, recherchiere und rede. Und ich schreibe. Und das ist die Tätigkeit, die mich am meisten erfüllt. Einerseits, weil ich viel lieber schreibe als rede. Andererseits, weil das Schreiben für mich der Ort ist, an dem ich all das andere verarbeiten kann.
Was jetzt? Mit oder KI schreiben?
Und nun? Ist es besser, mit KI oder ohne KI zu schreiben? Diese Frage habe ich der KI gestellt – und die Antwort darauf war ein nutzloses Blabla. Deshalb muss ich das jetzt selbst zu einem versöhnlichen Ende bringen.
Also: Beides ist richtig. Und nur, wenn du beides wirklich übst und in deinen Schreiballtag einbaust, wirst du auch in Zukunft gut und erfolgreich schreiben können. Es wird immer professionelle Autor:innen benötigen – du kannst jetzt entscheiden, ob dazuzugehören möchtest.
Die KI hat das (weitgehend richtige) Weltwissen, du hast deine spezielle Ausgestaltungs-Fähigkeiten. Die KI kann dir Erwartbares liefern, du kannst daraus Nischeninhalte machen. Die KI weiß, wie es korrekt ist. Du kannst mit kleinen Tabuverletzungen die Aufmerksamkeit erzeugen. Die KI lehrt dich, immer ein klares Briefing zu schreiben. Ohne KI macht das Schreiben allerdings mehr Spaß.
Sie ist da, sie ist in unser aller Leben. Also arbeiten wir mit ihr. Aber liefern wir uns ihr nicht völlig aus.
Ich bin Paul Jonas, Autor des Buches „Schreib. Dein. Buch“ und unübersehbar ein Pseudonym. Hier darf ich über meinen Job, das Schreiben und die Kreativität schreiben. Hier findest du mehr über mich.
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