Ich möchte hier die Artikel nicht überladen. Allerdings habe ich mich zuletzt recht ausführlich mit der Schreibroutine von Stephen King beschäftigt. Da steckt so viel drin, dass ich befürchte, dieser Artikel wird etwas länger.
- Für Schnellleser gibt es die Top 7 Schreibroutinen von Stephen King.
- Diese übertrage ich auch auf das Schreiben von Sachbüchern.
- Danach gibt es einige weitergehende Routinen vom Meister.
- Und zum Schluss schauen wir uns an, was George R.R. Martin anders macht – denn nicht nur King schreibt sehr erfolgreich.
Die Top 7 Schreibroutinen von Stephen King
1. Schreibe jeden Tag. King schreibt jeden Tag, auch an seinem Geburtstag oder am Wochenende. Wenn er nicht jeden Tag schreibt, werden die Figuren in seinem Kopf schal, sie beginnen sich wie Figuren anzufühlen, anstatt wie echte Menschen. Er verliert den Bezug zur Handlung, dem Tempo und der Aufregung, etwas Neues zu schreiben, schwindet.
Sachbuchautor:innen haben zwar keine Figuren, zu denen sie den Bezug verlieren können, aber es gibt Gedanken, die abreißen könnten. Außerdem habe ich es in jedem Schreib-Projekt als hilfreich gefunden, wirklich täglich zu schreiben.
2. Setze dir ein tägliches Ziel. Kings Ziel ist es, jeden Tag etwa sechs Seiten zu schreiben, was etwa 2.000 Wörtern entspricht. Wer das schafft, kann ein Buch in drei Monaten fertigstellen. Nach Kings Meinung ist das eine gute Länge für ein Buch, in das sich der Leser glücklich verlieren kann, wenn die Geschichte gut erzählt ist.
Haruki Murakami schreibt täglich sogar zehn Seiten. Aber ich bezweifle, dass dies beim Schreiben eines Sachbuchs gelingt. Es sei denn, wirklich alle Informationen liegen vor und du musst es nur noch “runterschreiben”.
3. Entwickle eine Routine, um schnell in einen Flow-Zustand zu gelangen. King vergleicht das Schreiben mit Selbsthypnose und dem Fallen in eine Art Trance, wenn man immer wieder die gleichen Schritte wiederholt. Jeden Tag beginnt er mit dem Lesen der letzten beiden Seiten, die er geschrieben hat, um sich wieder in die Welt, die er erschafft, hineinzuversetzen.
Das Lesen der letzten beiden Seiten ist für mich schwierig, weil ich diese auch sofort überarbeiten will. Wenn ich mich allerdings dazu zwinge, das nicht zu tun, ist es ein guter Einstieg.
4. Schalte Ablenkungen aus. Ob du einen Roman oder ein Sachbuch schreiben willst: Schalte Telefone, Fernseher und Internet aus, um beim Schreiben Ablenkungen zu reduzieren. Halte deinen Schreibraum privat, genau wie dein Schlafzimmer.
5. Höre Musik. King hört beim Schreiben Metal-Musik, um seine Konzentration, seinen Fokus und seine Produktivität zu steigern. Wenn du kein Metal-Fan bist, versuche es mit schneller und energiegeladener Musik, die du in einer Schleife abspielst, um dich nicht ablenken zu lassen.
Oder lass es sein. Ich kann nicht (mehr) mit Musik schreiben. Allerdings ist das Gehör ein potenzieller Störfaktor beim Schreiben. Deshalb kümmere dich um deine Geräuschkulisse.
6. Überarbeite dein Werk. King überarbeitet seine Arbeit etwa ein Dutzend Mal, bevor sie bei seinen Verlagen landet. In seiner zweiten Fassung streicht er zehn Prozent seiner ersten Fassung. Er stellt sicher, dass seine Sätze in der aktiven Stimme stehen, Adverbien entfernt und aussagekräftige Verben verwendet und dass die Motivationen, Entwicklungen und Handlungen seiner Figuren sinnvoll sind.
Mehr Schreibtipps (die allgemeingültig sind) von ihm findest du in seinem Buch “Vom Leben und vom Schreiben”.
7. Töte deine Lieblinge. Bearbeite Teile heraus, die du vielleicht magst, die aber nicht viel zu deinen Figuren und der Geschichte beitragen, selbst wenn es dir schwerfällt. Nimm dich aus der Geschichte heraus, um zu sehen, was unnötig ist, indem du dich mindestens sechs Wochen lang von deinem ersten Entwurf distanzierst.
Wenn du ein halbwegs aktuelles Buch schreiben willst, sind diese sechs Wochen kaum zu schaffen. Aber gib dir so viel Zeit, wie du kannst. Und stelle dir bei jedem Absatz die Frage, ob du ihn magst – oder ob er nötig ist.
Diese sieben Routinen sind grundlegend: täglich schreiben, ein quantitatives Ziel setzen, Ablenkungen ausschalten, die Geräuschkulisse designen, überarbeiten und Kill your Darlings. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Autor:innen gute Bücher schreiben können, die diese Punkte nicht befolgen.
Schauen wir uns aber die weitergehenden Tipps von Stephen King an.
7 zusätzliche Routinen, mit denen Stephen King arbeitet
Hier wird es teils schwierig, das auf Sachbücher zu übertragen. Aber versuchen wir das doch mal.
1. Schreibe dem Plot nicht hinterher, sondern lass die Geschichte dich führen. King vergleicht das Schreiben mit einer Reise, bei der er sich von der Geschichte leiten lässt. Er plant seine Handlungen nicht im Voraus, sondern lässt die Figuren und Ereignisse die Richtung vorgeben. Diese Herangehensweise ermöglicht ihm ein schnelles Schreiben und hält die Geschichte frisch und spannend.
Ich denke, du wirst kein gutes Sachbuch schreiben, ohne vorher die Kapitel geplant zu haben. Doch wenn dir die Herangehensweise von King sympathisch klingt, kannst du jederzeit diese Planung über den Haufen werfen. Das wird Zeit kosten – aber vermutlich die Qualität des Werkes verbessern.
2. Beginne mit einer kleinen Idee und lass sie wachsen. King startet seine Geschichten mit einer einfachen Situation oder einem interessanten Gedanken, ohne sich dabei auf einen konkreten Plot festzulegen. Dann lässt er sich von der Idee treiben und beobachtet, wie sich die Geschichte entwickelt, während er schreibt.
Ich würde das nicht während des Schreibens tun, sondern während der Planung. Allerdings ist der erste Satz wichtig: Was ist deine “kleine Idee”? Notiere diese und versuche, ihr zu folgen.
3. Konzentriere dich auf die Figuren und die Situation, anstatt auf die Handlung. Für King stehen die Figuren und die Situation, in der sie sich befinden, im Mittelpunkt. Er glaubt, dass eine gute Geschichte sich aus den Charakteren und ihren Konflikten ergibt. Er vermeidet es, die Handlung zu konstruieren, da dies seiner Meinung nach zu einer unnatürlichen und langweiligen Geschichte führen kann.
Anders gesagt: Konzentriere dich auf die Entwicklung deiner Idee und versuche nicht, externe Gedanken zu platzieren. Vermutlich hast du dir zuvor wichtige Aussagen notiert. Diese sollten nur Eingang in das Werk finden, wenn es passt – und nicht, weil sie da sind.
4. Schreibe zuerst die letzte Zeile des Buches. Obwohl King das Planen im Voraus ablehnt, empfiehlt er, die letzte Zeile des Buches als erstes zu schreiben. Dieser Tipp mag paradox erscheinen, aber King sieht darin eine Möglichkeit, ein klares Ziel für die Geschichte zu setzen, ohne den Schreibprozess zu sehr einzuschränken.
Auf diese Weise wird das Schreiben ein Pfad zwischen zwei Punkten. Das mag dir komisch vorkommen. Allerdings ist es wichtig, in jedem Kapitel zu wissen, was die Leser:innen am Ende mitnehmen. Und das steht nunmal am Ende.
5. Lasse die Geschichte „reifen“ und distanziere dich von deinem ersten Entwurf. Nach Fertigstellung des ersten Entwurfs legt King seine Manuskripte für mindestens sechs Wochen beiseite, um sich von der Geschichte zu distanzieren und mit frischem Blick an die Überarbeitung herangehen zu können.
Hier sind sie wieder, die sechs Wochen. Aber hier geht es vor allem um die Distanzierung: Du wirst beim Überarbeiten darüber rätseln, warum du dies oder das geschrieben hast. Ist das der Fall: weg damit. Ist das nicht der Fall, hast du zu wenig Distanz.
6. Entferne unnötige Beschreibungen. King rät dazu, Beschreibungen auf das Wesentliche zu reduzieren und dem Leser Raum für eigene Interpretationen zu lassen.
Oh ja! Kaue deinen Leser:innen nicht alles im Detail vor. Gib ihnen die Möglichkeit, auch selbst Schlussfolgerungen zu ziehen. Und damit das Gesagte in ihre Gedankenwelt einzubauen.
7. Sorge für einen ruhigen und inspirierenden Arbeitsplatz. Ein ungestörter Arbeitsplatz ist für Kings Produktivität essenziell. Er vermeidet Ablenkungen wie Telefone, Fernseher und Internet.
Hatten wir das schon? Egal, das kann nicht oft genug gesagt werden.
Was Stephen King und George R.R. Martin unterscheidet
Zum Glück für die schreibende Zunft gibt es ein einstündiges Gespräch zwischen Stephen King und George R.R. Martin. Die beiden können kaum unterschiedlicher nicht sein, abgesehen von ihrem Erfolg.
Stephen King ist bekannt für Horror, Thriller und Fantasy. Er hat über 60 Romane geschrieben, darunter The Shining und It. Sein Stil ist leicht zu lesen, immer atmosphärisch und oft auf psychologische Spannung fokussiert. George R.R. Martin ist der Schöpfer der epischen Fantasy-Serie A Song of Ice and Fire (Game of Thrones). Sein Stil ist komplex, politisch und charakterzentriert, oft mit moralischen Grauzonen.
Der Hauptunterschied bei den beiden liegt in ihrem Fokus. King konzentriert sich auf das Innere von Figuren und Alltags-Horror, während Martin riesige, miteinander verflochtene Welten mit Schwerpunkt auf Intrigen und Machtkämpfen schafft.
Also: Was unterscheidet sie?
Planung vs. Spontaneität
Stephen King ist ein „Pantser“. Er lässt sich beim Schreiben von seinem Instinkt leiten und lässt die Geschichte sich organisch entwickeln, ohne im Voraus zu planen.
George R. R. Martin hingegen plant seine Geschichten detailliert und weiß oft schon im Voraus, wie die Geschichte enden wird.
Schreibgeschwindigkeit
Kings spontaner Schreibstil ermöglicht es ihm, Bücher in relativ kurzer Zeit zu schreiben. Er versucht, jeden Tag sechs Seiten zu schreiben und kann so ein Buch in etwa zwei Monaten fertigstellen.
Martin hingegen ist bekannt für seine komplexen und detaillierten Welten, was zu längeren Schreibphasen führt. Er räumt ein, dass er im Vergleich zu King langsamer schreibt – was seine Fans schon beinahe in den Wahnsinn geführt hat.
Der Umgang mit dem Bösen
Kings Geschichten konzentrieren sich oft auf das Böse, das in der menschlichen Natur liegt. Seine Schurken sind oft gewöhnliche Menschen, die durch bestimmte Umstände zu schrecklichen Taten getrieben werden.
Martin hingegen zeichnet oft ein komplexeres Bild des Bösen. In seinen Geschichten gibt es zwar eindeutig böse Charaktere, aber auch die „Guten“ sind oft moralisch ambivalent und fähig zu grausamen Handlungen.
Einfluss von Tolkien
Natürlich bewundern beide Tolkien und „Der Herr der Ringe“.King schätzt seine Fähigkeit, Spannung zu erzeugen, und die Art und Weise, wie er das Böse darstellt.
Martin hingegen distanziert sich von Tolkiens Schwarz-Weiß-Malerei und bevorzugt eine nuanciertere Darstellung von Gut und Böse.
Verbindungen zwischen den Werken
In Kings Werk gibt es wiederkehrende Figuren und Themen, die verschiedene Bücher miteinander verbinden. Diese Verbindungen entstehen jedoch oft organisch, ohne dass er sie im Voraus plant.
Martin hingegen plant die Verbindungen zwischen seinen Büchern bewusst. Seine verschiedenen Reihen spielen im selben Universum und sind durch wiederkehrende Figuren und Ereignisse miteinander verknüpft.
Ihre Schreibroutinen
- Stephen King ist ein spontaner „Pantser“, der schnell schreibt und sich auf das Böse im Menschen konzentriert. Im Gegensatz dazu nimmt sich George R.R. Martin die Zeit für die Planung und zeichnet ein komplexeres Bild des Bösen.
- King schreibt täglich 2.000 Wörter, während Martin längere, unregelmäßige Schreibphasen bevorzugt.
- King schreibt morgens, während Martin ein Nachtschreiber ist.
Vermutlich gibt es noch andere Unterschiede. Klar ist: Beide Strategien haben zu einem unfassbaren Erfolg geführt. Und in dem Gespräch wird auch deutlich, wie sehr sie sich gegenseitig schätzen.
Deshalb mein Tipp: Übernehme nicht ungefragt die Routinen anderer – selbst die von Stephen King nicht. Sondern nimm sie wahr, prüfe sie und baue daraus deine eigene Schreibwelt.
Andere erfolgreiche Schreibroutinen
King und Martin stellen zwei Extreme dar, aber es gibt natürlich noch viele andere erfolgreiche Ansätze:
Haruki Murakami steht um vier Uhr morgens auf, schreibt fünf bis Stunden lang und geht danach joggen. Er hält diese Routine eisern ein und geht entsprechend früh ins Bett.
Maya Angelou mietete sich ein Hotelzimmer in ihrer Stadt. Morgens um 6:30 Uhr an und schrieb bis 14:00 Uhr. Sie brauchte diese komplette Isolation, um produktiv zu sein.
Virginia Woolf schrieb im Stehen an einem hohen Pult, meist von spätem Vormittag bis zum Nachmittag. Sie glaubte, das Stehen halte sie wach und konzentriert.
Ernest Hemingway war ein Frühaufsteher und begann mit Sonnenaufgang zu schreiben. Er schrieb im Stehen an einem Stehpult, zählte akribisch seine täglichen Wörter und hörte auf, wenn es am spannendsten war – so fiel ihm der Einstieg am nächsten Tag leichter.
Simone de Beauvoir schrieb von 10 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts, mit einer Pause zum Mittagessen mit Jean-Paul Sartre. Sie trank dabei große Mengen Tee und rauchte ständig (was wir heute natürlich nicht mehr empfehlen).
Was auffällt: Fast alle erfolgreichen Autor:innen haben ihre ganz eigenen Marotten und Gewohnheiten entwickelt. Aber sie alle halten sich konsequent an ihre Routine – egal wie ungewöhnlich sie erscheinen mag.
Wie du deine eigene Schreibroutine findest
Ein wichtiger Punkt zum Abschluss: Wie findest du nun deine eigene, perfekte Schreibroutine? Hier sind einige Fragen, die du dir stellen kannst:
- Bist du ein Morgen- oder Nachtmensch?
- Brauchst du absolute Stille oder hilft dir Hintergrundgeräusche?
- Wie viel Zeit kannst du realistisch jeden Tag fürs Schreiben reservieren?
- Planst du gerne im Detail oder schreibst du lieber drauflos?
Experimentiere mit verschiedenen Ansätzen und dokumentiere, was für dich am besten funktioniert. Die perfekte Routine ist die, bei der du am produktivsten bist – egal ob du dabei King oder Martin näher bist.
Ich bin Paul Jonas, Autor des Buches „Schreib. Dein. Buch“ und unübersehbar ein Pseudonym. Hier darf ich über meinen Job, das Schreiben und die Kreativität schreiben. Hier findest du mehr über mich.
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