Feedback geben, nehmen und ignorieren

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„Ich gebe dir jetzt mal ein Feedback!“ So oder ähnlich darf eine Text-Bewertung niemals beginnen. Feedback sollte immer freiwillig und wertschätzend erfolgen. Und wer es richtig gibt, lernt sogar selbst noch etwas.

Feedback geben und nehmen
Text-Feedback als Brücke? (Foto: Eric)

Warum benötigen wir Autor:innen Feedback?

Eines der Missverständnisse rund ums Feedback von Texten ist, dass wir das ständig und immer benötigen. Dazu weiter unten. Aber ganz ohne geht es nun mal auch nicht. Denn wir Autor:innen sind für all das, was wir schreiben, betriebsblind. Wir können nicht gut bewerten, wie unsere Texte bei unseren Leser:innen ankommen. Vor allem deshalb, weil wir sie selbst geschrieben haben. All die fehlenden Gedanken oder die selbstverliebten Formulierungen werden wir selbst kaum finden.

Und genau dafür benötigen wir Feedback für unsere Texte: Um die Texte besser zu machen. Um Blickwinkel einzuholen, die sich auf unseren noch nicht eingestellt haben. Und um generell das Gefühl zu haben, dass man sich auf die Texte verlassen kann. Denn diese dienen ja nicht unserer eigenen Befriedigung, sondern direkt auch der Wissensbildung oder der Unterhaltung der Leser:innen. Und die denken nun mal anders als wir.

Kurz gesagt: Wenn wir professionell schreiben wollen, benötigen wir Feedback. Punkt.

Wann ist Feedback sinnvoll  – und wann nicht?

Es gibt allerdings auch Situationen, in denen ein Feedback eher stört. Mir fallen da direkt zwei Situationen ein, in denen ich kein Feedback will:

  • Wenn ich gerade noch mitten in einem kreativen Prozess bin. Dann benötige ich kreative Mithilfe – aber kein Feedback auf meine Ideen. Grundsätzlich sollten die nämlich völlig frei sein.
  • Wenn das Feedback eine eigene, fremde Agenda verfolgt. Es ist nicht selten, dass Kolleg:innen ganz prinzipiell etwas anders machen würden. Weil sie andere Ziele verfolgen, nicht wissen, worum es geht oder aus persönlichen Gründen. Dann wird ein Feedback nicht funktionieren. Dann müssen zuerst diese Hürden aus dem Weg geräumt werden, damit die Rückmeldung hilfreich ist.

Das sind die Ausnahmen. Ansonsten ist eigentlich immer ein guter Zeitpunkt für ein Feedback unter guten Kolleg:innen. Allerdings nicht für jeden Text und auch nicht an jedem Tag. Denn wir müssen ja lernen und uns üben. Und dabei hilft es, wenn wir unsere Fehler selbst erkennen. Wenn uns jede Kleinigkeit von außen gemeldet wird, entwickeln wir keinen inneren Sinn für den halbwegs neutralen Blick auf unsere Texte.

Wir benötigen also viel Lernzeit zwischen den Feedbacks – um dann wieder aufnahmebereit zu sein.

Warum das Feedback beiden Seiten hilft

Was wir häufig vergessen: Feedback hilft nicht nur einer Seite. Auch wer Feedback gibt, lernt dabei. Denn das ist Textarbeit vom Feinsten: So aufmerksam liest du sonst nie einen Artikel und so detailliert formulierst du Inhalts- oder Schreibregeln sonst nie.

Wer als Schüler früher Nachhilfe gegeben hat, weiß, was ich damit meine. Ich hatte eine Mathe-Schülerin einmal pro Woche, um mein Taschengeld aufzubessern – und stand am Ende dieses Jahres am Ende auf einer glatten 1 in Mathe. Denn ich hatte die Grundlagen endlich mal verstanden.

Damit beide Seiten möglichst viel aus dem Feedback mitnehmen, gibt es einen besonderen Ablauf – den ich im übernächsten Kapitel beschreibe.

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Die besten Feedback-Regeln

Bevor wir uns zum Text-Feedback treffen, sollten einige Punkte klar sein:

  • Das Feedback ist so freiwillig wie möglich. Es wird im professionellen Umfeld nicht immer völlig freiwillig sein. Aber die Person, die das Feedback bekommt, muss zumindest die Möglichkeit haben, einen anderen Zeitpunkt zu wählen.
  • Die übliche Regel „wer ein Feedback bekommt, nimmt jedes Feedback an“ ist nicht ganz richtig. Das gilt ausschließlich für das Feedback-Gespräch. Was Autor:innen danach damit machen, ist völlig ihnen überlassen. Niemand muss alle Punkte ändern. Außer in hierarchisch schlecht organisierten Redaktionen.
  • Wer Feedback gibt, hat sich vorher (!) mit dem Text beschäftigt. Manche Profis lesen sich den Text vorher durch und markieren sich die Punkte, über die sie reden wollen.
  • Ein Feedback hat Schwerpunkte. Also nicht „der Text“ wird gefeedbackt, sondern besondere Eigenschaften. Das wird vorher verabredet und könnte sein:
    • Inhalt, Erarbeitung des Themas, fachliche Korrektheit
    • Inhaltsstruktur, äußerer Aufbau des Textes
    • Informationsdichte in Bezug zur Zielgruppe
    • Leseführung, innerer Ablauf des Textes
    • Sprache mit Blick auf Sätze, Wortwahl, stilistische Elemente
    • Rechtschreibung und Grammatik
    • Aussage des Textes (das spielt allerdings z.B. bei Kommentaren keinne Rolle.
  • Ein Feedback konzentriert sich auf ein oder zwei dieser Punkte oben. Und wenn es ganz viele Stellen gibt, die zu verbessern wären – werden trotzdem nur einige in der Tiefe besprochen. Es geht nicht darum, möglichst viele Fehler zu finden, sondern um den Lerneffekt.
  • Jeder Feedback-Punkt ist konkret. Also nicht „deine Sätze sind zu lang“, sondern „dieser Satz beinhaltet 24 Wörter und soundsoviele Informationen…“.
  • Ein Feedback wird in Ich-Botschaften vermittelt. Bitte nicht so tun, als ob sie die einzige richtige Wahrheit enthalten.
  • Das Feedback beinhaltet die Sicht der Zielgruppe. Das ist etwa bei Stilverletzungen wichtig. Wenn etwa Fremdwörter auftauchen – kann das ja sogar hilfreich sein. Dann ist ein Feedback wie „wir wollen doch möglichst keine Fremdwörter benutzen“ nicht hilfreich.
  • Feedback-Profis werden sich auch die Frage stellen, warum die Autor:innen etwas anders gemacht haben, als sie das machen würden. Das kann mangelnde Zeit, schlampiges Recherchieren, fehlende Übung oder etwas anderes sein. Es ist hilfreich, das zu erfragen und beim Feedback daran zu denken.

Kurz zusammengefasst könnte ich sagen: Ein Feedback sollte wertschätzend und konkret sein. Und nun zum Ablauf…

Der Ablauf für ein Feedback

Zur Vorbereitung eines Text-Feedbacks gehören zwei Dinge: Erstens eine Verabredung. Beide Seiten sollten es wollen und den Zeitpunkt für günstig halten. Wenn eine der beiden Personen gestresst oder nur mit halbem Kopf dabei ist, wird das nichts. Zu dieser Verabredung gehört auch, das Ziel. Also, ob es allgemein über alles geht (eher schlecht für den Lerneffekt) oder bestimmte Aspekte (siehe oben, eher gut für den Lerneffekt). Eine solche Verabredung könnte lauten „Könntest du diesen Text von mir gegenlesen? Es geht mir dabei weniger um den Schreibstil, sondern darum, ob alles verständlich ist.“ Oder: „Wenn du willst, reden wir über deinen Text. Ich hatte da einige Gedanken zum Stil.“

Zweitens sollte die feedbackgebende Person den Text gelesen haben. Und zwar in Ruhe und mit dem Stift in der Hand. Immerhin geht es darum, das Werkstück einer Autorin oder eines Autors zu bewerten. Da kann man sich schon mal vorbereiten.

Auch eine gute Idee: Du suchst dir regelmäßige Feedback-Partner und ihr gebt euch zum Beispiel jeden Freitagnachmittag wechselseitig ein Feedback. Du wirst sehen, wie ihr beide immer besser, besser, besser, besser werdet.

Und dann geht es los:

  1. Schritt: „Was ich gut finde.“ Nicht nur der guten Stimmung wegen startet das Feedback mit den Qualitäten (oder einer Qualität) des Textes. Und glaube mir: Jeder Text hat etwas, das zu loben ist. Wenn du nichts findest, liegt das an dir 🙂 Der Grund dafür ist – neben der guten Stimmung -, dass ihr beide am meisten davon lernt. Denn wenn du in einem Text eine Qualität findest, hast du sie schon fast selbst gelernt. Und dein Gegenüber weiß nun um seine Stärke und kann darauf aufbauen. Stärken zu stärken ist immer leichter und meist effektiver als an Schwächen herumzufummeln.
  2. Schritt: „Was ich anders machen würde.“ Jetzt steigt ihr da ein, wo es vielleicht weh tut. Doch es ist wichtig, hier nichts zu verschleiern. Es ist wichtig, die Kritik in Ich-Sätze zu kleiden („Ich habe das Gefühl, dass die Sätze zu lang sind und habe viel Aufmerksamkeit benötigt, um sie zu verstehen“), möglichst konkret zu sein und das wertschätzend zu formulieren („Vermutlich ist es gar nicht so einfach, diese komplexen Informationen einfach darzustellen …“). Und es braucht viel gegenseitiges Vertrauen, das möglichst entspannt zu besprechen. Doch genau darum geht es ja. Selbst wenn du einen wirklich schlechten Text vor dir hast, kann du helfen, indem du das wohlwollend formulierst: „Da gibt es viel zu besprechen. Ich schätze, die meisten Punkte würdest du in fremden Texten auch finden. Aber beim Schreiben sind wir nun mal betriebsblind. Lasse es uns angehen.“ Das schafft eine sehr produktive Atmosphäre.
  3. Schritt: „Wie ich das ändern würde.“ Nun zum schwierigsten Teil. Es ist nur ein bisschen hilfreich, jemanden auf Fehler aufmerksam zu machen. Einen Weg heraus zu zeigen, ist viel hilfreicher. Natürlich wirst du nicht für jeden Punkt eine perfekte Lösung haben. Auch, weil es die bei Texten meist gar nicht gibt. Aber ihr könnt gemeinsam einen Weg entwickeln. Wenn jemand etwa häufig lange Sätze verwendet, schlage ich vor, die Regel „Ein Gedanke = ein Satz“ ins Repertoire aufzunehmen. Wenn jemand immer wieder komplizierte Wörter verwendet, könnten diese in einem Halbsatz dahinter kurz erklärt werden. Du merkst: Es geht in diesem Schritt darum, dass du deine Trickkiste auspackst. Und wenn du das tust, wird das nicht nur für die feedbacknehmende Person hilfreich sein. Auch du selbst wirst dich an diese Regeln wieder erinnern und sie in Zukunft eher beherzigen.

Zusammengefasst: Ein Text-Feedback kann für beide Seiten produktiv und wertvoll sein. Es geht dabei nicht nur darum, die Dinge zu finden, die verbesserungswürdig sind. Sondern vor allem darum, dem Partner eine Hilfestellung zu geben und auch etwas über sich selbst zu lernen.

Nicht jedes Feedback umsetzen

Und nach dem Feedback? Haben beide Seiten eine Menge gelernt. Und die Person, die das Feedback bekommen hat, steht es völlig (!) frei, die Punkte umzusetzen. Das sollte vorher klar sein und unbedingt so gelebt werden.

Denn bei all der Erfahrung und der unbeteiligten Sicht von außen, die die feedbackgebende Person hat: Autor:innen wissen am besten, wie sie mit ihren Texten umgehen wollen. Wenn du ihnen das nehmen willst, nimmst du ihnen die Motivation zu schreiben.

Die innere Haltung beim Feedback

Hier noch eine kleine Aufmunterung für alle, die ein Feedback bekommen wollen, sollen oder müssen. Wie großartig oder erfahren die andere Person ist; Wie ausführlich und gut diese sich auch vorbereitet hat; Wie sehr du auch von der Meinung dieser Person abhängig bist: Diese Person bringt sich selbst mit und hat ihre eigene Brille auf. Vielleicht schwingt da auch etwas Abwertung mit. Vielleicht ist da jemand unglaublich pingelig. Und ganz sicher hat diese Person auch eigene Macken und Stilfehler. Und all das hat mit dir nichts zu tun.

Versuche deshalb nichts, wirklich gar nichts, persönlich zu nehmen, sondern sei dankbar. Und zwar nicht, weil jeder Punkt richtig ist und die andere Person so viel schlauer ist. Das ist sie nämlich nicht. Sondern sei dankbar, weil ihr beiden euch zusammengefunden habt, um über Texte zu reden. Und das ist auf jeden Fall hilfreich.

Deshalb lass dich nicht abwerten und fühle dich auch nicht abgewertet.

Und ab heute …

… suchst du dir gelegentlich jemanden, mit dem du deine Texte besprechen kannst.

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