Du sollst Texte für einen Podcast schreiben? Oder du möchtest eigene Texte als Video oder Audio veröffentlichen? Selbst gute Autor:in müssen dafür umlernen – aber nur ein wenig.
Es bleibt nicht aus, dass wir Autor:innen auch für das gesprochene Wort schreiben sollen. Was früher nur einer kleinen Gruppe von Redenschreiber:innen und Radio-Journalist:innen vorbehalten war, trifft nun uns alle. Ich selbst musste mich schon vor Jahren in die Welt der Sprecher:innen-Texte einarbeiten. Und siehe da: Gesprochene Texte zu schreiben schult auch das Schreiben für reine Text-Medien in der digitalen Welt.
Was sind die Herausforderungen von Sprecher:innen-Texten?
Texte, die für Sprecher:innen geschrieben sind, werden vorgelesen. Allerdings sollen sie sich ganz natürlich – also wie spontan und frei gesprochen – anhören. Das ist eine der beiden Herausforderungen. Und diese lässt sich nicht einfach abarbeiten. Denn alle Sprecher:innen sind anders. Manche wirken ein wenig gehetzt, andere ruhen in sich. Auch der Dialekt kann eine Rolle im Satzbau spielen. Dieser Herausforderung müssen wir uns als Autor:innen langsam nähern.
Kleine Übung: Sprich einen Text (1 bis 2 Absätze) in die Spracherkennung deines Handys oder in ein Tool wie Whispermemos. Redigiere den Text so, dass du ihn für deine Webseite verwenden könntest.
Vermutlich wirst du einige überraschende Erkenntnisse haben. Etwa, dass deine gesprochenen Sätze viel länger sind als du sie in der Schreibsprache brachen kannst. Außerdem verwendest du beim Sprechen sehr, sehr viele Füllwörter. Beides liegt daran, dass du als Sprecher:in von Texten womöglich ungeübt bist.
Doch das Sprechen von Texten ist viel individueller als der geschriebene Text. Also gibt es für das Sprecher:innen-Text-Schreiben keine einfachen Regeln, sondern nur eine gegenseitige Gewöhnung von Autor:in und Sprecher:in. Professionelle Sprecher:innen erleichtern uns dabei das Leben, wenn sie neutral geschriebenem Text ihren eigenen Charakter geben. Das können aber nicht alle.
Die zweite Herausforderung stellen uns die Zuhörer:innen: Wenn unser Text zu kompliziert, in einer falschen Reihenfolge oder zu gedrängt daher kommt, werden wir sie überfordern und verlieren. Wenn wir zu lahm und ohne Reiz schreiben, verlieren wir sie auch – weil sie abschalten.
Es ist also eine Gratwanderung zwischen Überforderung und Unterforderung. Und das bei einer gleichbleibenden Geschwindigkeit. Denn einen geschriebenen Text mit hoher Komplexität können Leser:innen langsamer lesen. Einen Podcast werden sie ausschalten, wenn er sie überfordert.
Formale Anforderungen an einen Sprechtext
Um unsere Vorleser:innen zu unterstützen, können wir einige Regeln beachten. Einige Profis haben noch ihre eigenen Wünsche – aber die werden sie dann schon äußern. Hier einige Hilfestellungen:
- Große Schrift und eine gut lesbare Typo. Das sind Georgia oder Helvetia – also mal mit und mal ohne Serifen, diese sind Geschmacksache.
- Keine VERSALBUCHSTABEN: Texte mit Großbuchstaben werden ohnehin kaum verwendet. Aber verzichte auch in den Überschriften oder Zwischenüberschriften auf Versalien. Lediglich Buchstaben, die einzeln gesprochen werden (also „WHO“) sollten durchgängig großgeschrieben werden. Wird etwas ausgesprochen (z.B. die „Uno“) wird am Anfang groß und dann kleingeschrieben.
- Abkürzungen und Akronyme werden ausgeschrieben: Das ist jetzt weniger für die Sprechenden, sondern die Zuhörenden wichtig. Wenn du etwa ESA schreibst, solltest du direkt dahinter in einem Halbsatz noch „die European Space Agency“ schreiben. Denn ein Hörer benötigt diese Zeit, um eine Abkürzung zu verstehen.
- Wortverbindungen mit Bindestrich: Jedenfalls ungewohnte Spontan-Wort-Verbindungen sollten mit einem Bindestrich geschrieben werden.
- Betonte, wichtige Wörter und Formulierungen fetten: Beim Sprechen spielt die Betonung eine viel größere Rolle als beim Lesen. Soll etwas betont werden, muss es entsprechend markiert werden.
- Pausen markieren: Eine Sprechpause kann auch eine Betonung sein. Und Pausen an den richtigen Stellen, helfen Sprecher:innen sich zu sammeln und ruhig zu bleiben. ………… Schlage diese also zum Beispiel mit einigen Punkten vor.
- Zahlen ausschreiben? In der Schriftsprache haben wir dafür Regeln (bis zwölf wird ausgeschrieben, ab 13 in Ziffern). In Sprechtexten kommt es ein wenig auf die vorlesende Person an. Einige wollen auch die „Dreiundzwanzig“ in Buchstaben ausgeschrieben – andere auch 8 in Ziffern.
- Das jeweils einfachste Wort wählen: Aus „Zahlungsmittel“ wird „Geld“. Am einfachsten dafür ist vielleicht die Regel, dass aus langen, abstrakten Begriffen möglichst kurze, konkrete Wörter werden. Ist ein Fremdwort oder ein Fachbegriff nötig, dann erkläre es bitte kurz.
Einige dieser Empfehlungen kennst du schon von meinen allgemeinen Schreibtipps hier im Contentman. Im nächsten Kapitel wirst du noch viel mehr wiedererkennen.
Der Inhalt von Sprecher:innen-Texten
Bei der Analyse vieler Podcasts, Videos und auch von berühmten Reden, habe ich folgende Elemente eines gesprochenen Textes kennengelernt. Nur die ersten beiden unterscheiden sich von geschriebenen Texten. Doch die anderen sind etwa für einen Podcast viel wichtiger als für einen „normalen“ Online-Text. Deshalb müssen wir da etwas genauer sein.
- Einstieg: Manchmal sind es Zitate aus dem darauffolgenden Podcast-Gespräch, manchmal kann es auch ein schlauer oder überraschender Gedanke sein. Der „Teaser“ oder „Einstieg“ am Anfang darf „voll auf die Zwölf“ gehen und muss das Interesse der Zuhörer:innen treffen.
- Das Wichtigste am Anfang und/oder am Ende: Denn wir merken uns vorrangig das, was am Anfang oder am Ende gesagt wird. So einfach ist das.
- Vorstellung & Begrüßung: Danach ist es fast immer sinnvoll, die sprechenden Personen und vielleicht auch die Situation oder das Format vorzustellen. Also: Wer spricht – und warum? Damit auch neue Zuhörer:innen die Chance haben, einzusteigen.
- Gut strukturierter Inhalt: Was danach zu sagen ist, wirst du vermutlich selbst wissen. Doch bedenke, ohne eine gute Struktur kommt bei den Hörer:innen nur Mischmasch an. Wenn du etwa ein Skript in Kapitel mit Kapitelüberschriften schreibst, sollten auch die Überschrift so sein, dass sie vorgelesen werden können.
- Redundanz: Wichtige oder komplexe Punkte dürfen mehrfach formuliert werden. Die Hauptregel ist ja, dass die Zuhörenden nicht vor- und zurück-spulen können oder wollen. Sie müssen also alles verstehen können – selbst, wenn sie nebenher Auto fahren und sich dabei (vermutlich zurecht) über die anderen Verkehrsteilnehmer:innen aufregen.
- Abschluss mit Inhalt und Fazit: Die letzten Minuten und Sekunden werden vermutlich von den meisten Zuhörenden erinnert. Deshalb fasse da die wichtigsten Items noch einmal zusammen und biete ein Fazit, eine „Moral von der Geschichte“ an.
Der Inhalt passt sich natürlich dem Ziel an. In einem Ratgeber-Podcast wird die Strukturierung wichtiger sein als in einer Motivationsrede. Das versteht sich ja von selbst. Allerdings gibt es eine Regel, die vermutlich vom ehemaligen US-Präsident (der übrigens auch einen schrägen Lebenslauf hatte) stammt: „Erst sage ich den Leuten, was ich ihnen sagen werde, dann sage ich es ihnen, dann sage ich ihnen, was ich ihnen gesagt habe.“ In meinen Seminaren und Vorträgen hat sich das recht gut bewährt.
Vorschlag für einen Workflow
Bevor wir uns am Ende mit den eigentlichen sprachlichen Mitteln eines gesprochenen Textes beschäftigen, will ich noch einen Workflow vorschlagen. Denn auch ich selbst stolpere immer wieder ohne Plan in die Textproduktion hinein – und ärgere mich am Ende, wie viel ich dadurch dann mühselig aufräumen muss.
Auch das ist fast deckungsgleich zur Sprache, die gelesen wird. Doch diesen kleine Redundanz gönne ich uns hier.
- Ziel definieren: Und damit die Zielgruppe, Ansprache und was halt so zu planen ist.
- Strukturieren: Was gehört rein? Das kannst du während der Recherche machen. Bedenke nur: Anfang > Teilaspekt 1 > Teilaspekt 2 > Teilaspekt 3 > … > Fazit. Die Teilaspekte verdienen hierbei eine gute Zwischenüberschrift.
- Schreiben: Wenn die Strukturierung passt, wird dir das viel leichter fallen. Vielleicht formulierst du zuerst den Anfang und das Fazit – um diese am Ende noch einmal zu prüfen.
- Laut Lesen: Das ist ein Tipp, den ich allen Autor:innen gebe. Aber in unserem Fall der Sprecher:innen-Texte dürfte das wohl besonders wichtig sein. Und lese dir den Text am Stück vor; markiere, was du verbessern willst.
- Optimieren: Nun ist es Zeit für alle Verbesserungen, Korrekturen, Lektorat und was sonst noch alles zu tun ist. Mache das gesammelt und nicht während der Schreibphase oder während du laut liest.
- Markieren: Was sind die starken Sätze? Markiere sie. Wo wäre eine kleine Pause angebracht? Füge ein Signal dafür ein. Passt die Formatierung und die Größe (auch der Zwischenüberschriften)?
Die sprachlichen Mittel von Sprecher:innen-Texten
Grundsätzlich dauert die Aufnahme von Informationen über den Sprachkanal länger als via Lesekanal. Wer liest, kann auch einen Text scannen, zurücklesen oder langsamer lesen. Ein vorgelesener Text dauert so lange, wie er gelesen wird. Deshalb bleiben dir im Grunde die Möglichkeiten weniger Inhalt pro Textmenge (bei gleichem Unterhaltungswert), langsamer sprechen oder im Aufbau einfach alles richtigzumachen. Und das wäre:
- Einfache Sprache verwenden: Das ist eine „Binse“. Weißt du, was das ist? Du musstest mindestens kurz darüber nachdenken, was eine „Binse“ ist. Wenn dir so etwas im Text begegnet, stört das den Lesefluss – aber du kannst den Satz nochmals wiederholen. Ein Sprecher spricht einfach weiter. Deshalb vermeide überraschende Wörter oder kündige sie frühzeitig an.
- Jeden Absatz mit dem Thema des Absatzes beginnen: Worum geht es gerade? Die Denkspur der Zuhörenden soll jederzeit in die richtige Richtung führen. Deshalb steckt in den ersten paar Wörtern eines jeden Absatzes eine Vorausschau. Idealerweise in einem kurzen Hauptsatz.
- Ein Gedanke, ein Satz. Ein Gedankengang, ein Absatz: Was für alle Online-Texte gilt, ist für einen Sprechtext überlebenswichtig. Zumal eine gute Organisation des Textes in Sätzen und Absätzen auch für die Sprechenden eine gute Hilfe bei der Betonung ist.
- Kurze Sätze betonen, lange Sätze erklären: Ein kurzer Hauptsatz mit einer kurzen Sprechpause danach prägt sich ein. Kommt danach ein längerer Satz, vielleicht sogar mit angehängtem Nebensatz, wird dieser als Erklärung diese prägnante Botschaft verstärken. Und selbst lange Sätze sollten nicht mehr als etwa zwölf Wörter enthalten.
- Schachtelsätze vermeiden: Im Gegensatz zu dem Absatz zuvor, in dem ich einen Schachtelsatz verwendet habe, sollten wir für Sprecher:innen keine Schachtelsätze bauen. Eine Ausnahme ist, wenn wir für uns selbst schreiben und mit der entsprechenden Betonung und Geschwindigkeit spielen können. Aber, im Ernst: Lies die vorherigen zwei Absätze mal laut vor …
- Aufzählungen sind in Ordnung: Allerdings solltest du nicht mehr als drei Punkte aufzählen.
- Aktiv formulieren: Wenn es sich bewegt, achten wir darauf. Unser Gehirn zielt seine Aufmerksamkeit auf Bewegung und Aktion. Passive oder negative Aussagen (z.B. „keine Schachtelsätze verwenden“) benötigen mehr Verarbeitungs-Energie. Deshalb möglichst positiv und aktiv formulieren (z.B. „Schachtelsätze vermeiden“).
- Verben nach vorn: Texte werden aktiver und leichter verständlich, wenn die Verben möglichst weit vorn stehen. (Besser also: „Stehen die Verben am Anfang eines Satzes, wird dieser aktiver und leichter verständlich.“)
- Die richtige Reihenfolge: Damit die Zuhörer:innen wirklich alles verstehen, sollten wir die ersten Informationen nach vorn stellen. Oder, besser zu sprechen: Wir sollten immer mit den ersten Informationen beginnen – damit die Zuhörer:innen alles verstehen können.
- Abwechslung und Rhythmus: Podcasts mit zwei Personen funktionieren besonders gut. Weil zwei Personen gut an ihren Stimmen zu unterscheiden sind und trotzdem ausreichend Abwechslung geboten wird. Durch das Hin- und Her bekommt der Informationsfluss so etwas wie einen Rhythmus. Das ist angenehm. Auch, wenn du für eine Person schreibst, kannst du inhaltlich einen Rhythmus entwickeln. Zum Beispiel zwischen erzählten Stories und knallharten Fakten oder zwischen kreativen Ideen und deiner Einordnung dieser Ideen. Wichtig ist die Abwechslung und dass diese denkgerecht hin und her schwingt.
- Adjektive, Adverbien und Füllwörter: Während wir in Lesetexten möglichst viele überflüssige Wörter vermeiden, dürfen Sprecher:innen-Texte etwas wortgewaltiger daher kommen. Das gibt dem Gehirn ein wenig mehr Zeit bei der Informationsaufnahme.
- Der letzte Satz muss sitzen: Es gibt einen triftigen Grund, warum am Ende von Werbespots noch einmal der Claim der Marke genannt wird „Haribo macht Kinder froh…“. Das nennt sich Recency-Effekt. Kannst du googeln.
Selbstverständlich können wir den Sprecher:innen nicht die ganze Arbeit abnehmen. Sie werden betonen, Pausen einbauen und vielleicht sogar unsere Sätze umbauen. Das dürfen und sollen sie sogar. Unsere Aufgabe ist es allerdings, die Vorlage so gut und klar zu formulieren, dass es ihnen leicht fällt.
Und jetzt? Wie anfangen?
Übung ist – natürlich – das Zauberwort. Übung und die genaue Analyse von Podcasts, die dir selbst gefallen, oder von großen Reden. Zum Schluss deshalb ein Teil der wirklich großen Rede von Steve Jobs vor Student:innen in Stanford. Und zwar nicht den Teil, den alle kennen, sondern ein relativ unbedeutender Absatz. Lies diesen Absatz laut und überlege, was Jobs richtig gemacht hat.
„Ich hatte Glück. Ich habe schon früh im Leben herausgefunden, was ich gern mache. Als ich 20 war, haben Woz (Steve Wozniak) und ich Apple in der Garage meiner Eltern gegründet. Wir haben schwer gearbeitet, und in zehn Jahren war Apple nur von uns beiden in einer Garage zu einem zwei Milliarden Dollar schweren Unternehmen mit 4000 Mitarbeitern gewachsen. Wir hatten gerade unser Glanzstück, den Macintosh, auf den Markt gebracht, und ich war gerade 30 geworden, da wurde ich gefeuert. Wie kann man aus einem Unternehmen gefeuert werden, das man gegründet hat? Nun ja, als Apple immer größer wurde, stellten wir jemanden an, von dem wir dachten, er habe großes Talent und könne das Unternehmen mit mir zusammen führen. Im ersten Jahr ging auch alles gut. Doch dann begannen unsere Vorstellungen von der Zukunft immer stärker voneinander abzuweichen – und schließlich kam es zum Streit. Bei diesem Streit ergriff das Board für ihn Partei.„
Hier noch das ganze Video auf YouTube: https://www.youtube.com/embed/D1R-jKKp3NA
Der „Contentman“ hier und mein Newsletter dort sind meine Spielwiesen und digitale Chancen, meine Gedanken auszudrücken. Lange Jahre war ich Journalist – habe also vielleicht ein bisschen Tinte in meinem Blut. Mein Geld verdiene ich als Produktentwickler im Wort & Bild Verlag. .
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