Wir wollen auch originell schreiben. Deshalb muss ich jetzt, im zweiten Teasersatz, mit einem frisch erfundenen Kompositum daher kommen. Und ich weiß, was du denkst: Das ist ganz schön daneben gegangen.
Nun, damit hast du recht. Allerdings war dieses scheitern gewollt. Denn schneller und eindrücklicher lässt sich die Warnung vor den Nebenwirkungen von selbst gebauten Komposita nicht zeigen: „Teaserersatz„. Die Fehler im Schnelldurchlauf:
- Sprache: Mir fällt gerade kein Beispiel ein, bei dem ein englisches und ein deutsches Wort zusammenpassen.
- Lesbarkeit: Es könnte Teas-Ersatz oder Teaser-Satz heißen – die Leser:innen müssen intensiv darüber nachdenken, was gemeint ist.
- Verständnis: Wisst ihr alle, was ein Teaser ist? Vermutlich nicht – also sollte ich das mit einem Kompositum nicht noch schwerer machen.
Positiv formuliert sollten Wortkompositionen (!) leicht lesbar und sofort verständlich sein. Und hierfür will ich im Resttext (?) ein paar Schreibtipps geben.
Was ist ein Kompositum?
Ein Begriff aus der Grammatik: Eine Komposition, ein Kompositum, eine Wortzusammensetzung entsteht, wenn mindestens zwei bereits vorhandene Wörter zusammengesetzt werden. Unterbegriffe und ähnliche Begriffe sind: Doppelwort (bei zwei Wörtern wie bei Apfelkuchen), Nominalkompositum (wenn alle Wörter Substantive sind wie bei Apfelkuchen) und Derivation (also „Ableitung„, was eben kein Kompositum ist und neben dem Kompositum die wichtigste Art der Wortbildung). Mehr Fundamentalfakten (?) findest du auf Wikipedia.
Welche Formen gibt es?
Du siehst, ich habe zum besseren Verständnis, alle Komposita in dem Artikel kursiv gesetzt. Darunter sind auch schon einige der formalen Formen – die ich nur kurz aufzähle, damit du siehst, wie üblich Wortzusammensetzungen sind. Falls dir die Theorie piepegal ist, überspringe das.
- Nominalkomposita: Das sind zwei Hauptwörter, von denen das rechts stehende der „Kopf“ der durch den „Kern“ modifiziert wird. (Jäger|schnitzel)
- Kopulative Komposita: Hier addieren sich die Wörter sozusagen. Wer taubstumm ist, ist taub und stumm. Es ist eher Zufall oder Gewöhnung, welches Wort vorn steht.
- Synthetische Komposita: Bei diesen steht rechts ein Verb, aus dem das Substantiv links abgeleitet wurde, wie bei „Taxifahrer“. Da „Fahrer“ aber auch ein Substantiv ist, erscheint mir das unnötig detailversessen.
- Exozentrische Komposita: Eine Form, bei der die Summe nicht die Addition, sondern eine neue Gesamtbedeutung ist. Beispiele sind: Jammerlappen und Angsthase. Da sind ja nicht wirklich Lappen und Hasen im Spiel.
Und was ist ein Waschlappen? Mal ein einfaches Nominalkompositum, mal ein Exozentrisches. Letztlich ist es auch egal, wie kopulativ oder synthetisch ein solches Wort ist – Hauptsache es funktioniert.
Und dazu gehören noch drei Aspekte:
1. Welche Wortarten können beteiligt sein? Im Prinzip alle, also Substativ, Verb, Adjektiv, Adverb und Präposition. Du kannst folgende Komposita bezeichnen, ich mache einen Anfang:
- Waldlichtung (Substativ + Substantiv)
- Blauhelm (? + ?)
- Neuwahl (? + ?)
- Wiederwahl (? + ?)
- nebenan (? + ?)
- himmelblau (? + ?)
2. Das Fugenelement: Endet das erste Wort mit -keit, -heit, -ung oder einigen anderen Buchstaben, wird meist ein „s“ fürs bessere Sprechen eingefügt. Also Freiheitsliebe und Meinungsbildung – aber nicht Stellungnahme. Wobei es dafür keine klaren Regeln gibt, also vertrauen wir auf unser Sprachgefühl.
3. Richtig schreiben: Grundsätzlich werden Komposita zusammengeschrieben. Allerdings gibt es – natürlich – Ausnahmen. Erstens ist da das Verständnis etwa bei sehr komplexen Kompositionen (Donau-Dampfschifffahrt), zweitens bei Zusammenstellungen mit Zahlen (1.000-prozentig) und drittens bei fremdsprachigen Bindungen (Make-up). Warum? Deshalb. Eins ist jedenfalls immer falsch: ein Leerzeichen.
Was soll dein Kompositum können?
Genug Theorie! Welche Komposita machen deine Texte besser? Jedenfalls die, die sinnvoll sind. In diesem Text hast du gesehen, wie häufig Wortbindungen auftreten – und alle sind hoffentlich sinnvoll. Weil sie grundsätzlich mehrere Informationen in einem Wort vereinen.
Zugegeben: Unsere Sprache wird dadurch nicht unbedingt schöner. „Mittagessen“ und „Abendessen“ sind nicht sonderlich elegant. In Italien gibt es mittags „pranzo“ und abends „cena“ und dazu gehören wunderbare Verben wie „pranzano“ oder „ceniamo“. Da müssen wir passen – vor allem, wenn wir „zu Mittag essen“. Das dürfte für Ausländer maximal verwirrend sein. Nun, das können wir nicht ändern.
Andererseits verdichtet ein Wort wie „Kindergarten“ (ein exozentrisches Kompositum) sehr bildhaft die nötigen Informationen und wird vielleicht auch deshalb im Ausland gerne verwendet. Und schon sind wir bei den Möglichkeiten deiner Neukompositionen:
- Informationen verdichten: Mit einem Kompositum kannst du – ohne der Sprache Schaden zuzufügen – sehr viele Informationen mit wenigen Buchstaben vermitteln. Nur neun Buchstaben, aber so aussagekräftig: Flugscham.
- Origineller Stil: Nicht umsonst sind die Wörter des Jahres immer wieder Komposita, im vergangenen Jahr „Wellenbrecher“ (allerdings schon wieder vergessen). Weitere Kandidaten waren unter anderem Impfpflicht, Ampelparteien, Lockdown-Kinder und freitesten. Zugegeben, Originalität ist nicht unbedingt eine Stärke der Gesellschaft für Sprache, die die Wörter des Jahres definiert. Aber die Richtung wird klar, gell?
- Fallhöhe: Das ist eine wichtige Ergänzung. Hier ist Kreativität gefragt. Der Begriff Fallhöhe bezeichnete ursprünglich in der Dramaturgie den sozialen Sturz des Helden, also die mögliche Spannung in einem Theaterstück. Heute ist es im Storytelling ein Maß für überraschende Mischungen. Will ein 20-Jähriger Bungee springen, ist das nicht sonderlich interessant, bei einem 90-Jährigen fühlt sich die Fallhöhe ganz anders an. Check? Und so ist das auch mit Komposita: Findest du zwei Wörter, die so gar nicht aufeinanderpassen, bist du auf einem guten Weg. Alle kennen die „Torschlusspanik„, was ist mit „Torschlussfreude„? In „verschlimmbessern“ ist das schon eingebaut. Du weißt, was ich meine.
- Der Geschichte dienen: Trotz allem lohnt es sich nur, eine neue Wortkreation zu entwickeln, wenn du damit einen kleinen Brotkrumen auf dem Weg durch deinen Text streust. Also nur bei wichtigen Wörtern, entscheidenden Informationen – immer dann, wenn du die Aufmerksamkeit deiner Leser:innen kitzeln möchtest. Nicht jedes Wort wird gleich intensiv gelesen. Gute Komposita allerdings schon. Und es wäre schade, wenn es dann nur eine manirierte Wortspielerei wäre.
Und da sind wir auch schon wieder bei einer ganz grundsätzlichen Warnung für den Einsatz von Stilmitteln beim professionellen Schreiben:
Eine Wortkreation muss nicht dir gefallen, sondern den Leser:innen Informationen liefern, den Text weiterbringen und sofort verständlich sein.
Und nun?
Mein Praxistipp: Beginne jetzt nicht damit, wie wild Komposita in deine Texte einzuarbeiten. Nimm dir etwas Zeit und beobachte die Beispiele, die du in den nächsten Tagen liest. Unweigerlich wird dein kreativer Verstand nach und nach Alternativen entwickeln und darauf herumdenken. Genieße das und sei dir sicher, dass nach und nach schöne, passende und originelle Komposita beim Schreiben deiner Texte entstehen.
Eines noch: Dir wird vor lauter kursiven Komposita vermutlich der Kopf so brummen wie mir. Dafür entschuldige ich mich. Und auch für die vermutlich 100 falsch oder nicht markierten Komposita!
Der „Contentman“ hier und mein Newsletter dort sind meine Spielwiesen und digitale Chancen, meine Gedanken auszudrücken. Lange Jahre war ich Journalist – habe also vielleicht ein bisschen Tinte in meinem Blut. Mein Geld verdiene ich als Produktentwickler im Wort & Bild Verlag. .
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