Fünf Buchseiten pro Tag oder zwei Blogbeiträge pro Woche: Die Hauptzutat für deinen Erfolg als Autor lautet „regelmäßig schreiben“. Wenn du jeden Tag 60 oder gar 90 Minuten konzentriert an deinem Buch oder deinem Blog arbeitest, wird dieser – fast zwingend – erfolgreich. Allerdings ist das gar nicht so einfach. Hier ein paar Tipps, wie das trotzdem klappt.
Zuerst der Tritt in den Arsch
Wenn du ernsthaft meinst, dass ein Schreibprojekt anstrengungslos und freudvoll „mit wenigen Mausklicks“ erledigt wird – bist du naiv. Ebenso, wenn du tatsächlich den Anzeigen auf Insta und Facebook glaubst, dass „du bald dein eigenes Buch in den Händen hälst“. Die Wahrheit ist: Schreiben ist anstrengend. Selbst, wenn du gerne schreibst.
Noch anstrengender als Schreiben, ist damit zu starten. Vor, regelmäßig zu schreiben. Erst wenn die Routine stabil und die tägliche Schreibstunde so gewohnt wie das Zähneputzen ist, wird es leichter. Doch dahin kommst du erst, wenn du bereit bist, mal die Zähne zusammenzubeißen statt zu prokrastinieren.
In diesem Artikel geht es darum, wie du aus deinem liebsten Job, dem Schreiben, eine Gewohnheit machst. Und falls dir der eine oder andere Tipps „nichts für mich“ – ist vielleicht genau dieser Tipp dein Schlüssel zum Erfolg.
Tipps für die tägliche Routine
Zähneputzen ist nicht einfach so zu deiner Gewohnheit geworden. Der eine Grund ist, dass wir als Kinder dazu gezwungen wurden. Der andere ist, dass wir es nicht mehr mit uns diskutieren. Irgendwann ist es zur Routine geworden. Und, zack: Falls ich aus Versehen mal meine erste Videokonferenz morgen mit ungeputzten Zähnen mache, fühlt sich das wirklich eklig an.
Vom Zähneputzen können wir noch etwas lernen: Unsere Eltern haben damals nicht vorgeschlagen, „irgendwann heute mal die Zähne zu putzen“. Sie hatten vielmehr sehr genaue Vorstellungen, wann wir das wie zu tun hatten. Merke: Das Vorhaben, „jeden Tag eine Stunde zu schreiben“ ist zu ungenau, um zu einer Routine zu werden. Besser ist, wir triggern wir unser Kreativgehirn mit allen Mitteln und Sinnen:
1. Passend zum Tagesablauf / Biorhythmus starten
Das Wichtigste zuerst: schreibe täglich, mindestens werktäglich. Es ist nicht möglich, eine gute Gewohnheit aufzubauen, wenn du unregelmäßig oder nur einmal die Woche schreibst.
Noch wichtiger: Wenn du das drei Tage lang schaffst und am vierten „versagst“ – freue dich über die gelungenen drei Tage und mach am fünften Tag weiter. Putz dich nicht runter, weil es mal nicht geschafft hast. Stehe auf, richte das Krönchen und mach weiter.
Du versagst nicht, wenn du es mal nicht schaffst – sondern wenn du nicht wieder damit anfängst.
Deshalb: Suche dir die Zeit im Laufe deines Tages aus, in die die Schreiberei wirklich passt. Es gibt Autor:innen, die stehen dafür eine Stunde früher auf (Respekt!), andere schreiben in den Abend hinein bei einem Glas Wein (meine Variante). Ich kenne sogar eine Kollegin, die in der Mittagspause schreibt (hoffentlich ohne Wein).
Übrigens: Falls du im Home-Office oder in einem Großraumbüro schreibst, vereinbare mit deinen Lieben ein Signal, dass du in dieser Zeit nicht gestört werden möchtest. Doch dazu weiter unten mehr…
2. Den richtigen Schreib-Platz, das richtig Schreib-Gerät finden
Als ich – etwa zur Jahrtausendwende – einige Wochen in Kanada unterwegs war, wollte ich weiter arbeiten und saß deshalb auch mal am Lagerfeuer und schrieb Artikel. Das fiel mir – im Nachhinein betrachtet – ziemlich leicht: Kaum hatte ich mein Notebook auf meinen Oberschenkeln liegen, machte ich einige wilde Bewegungen mit den Fingern und es ging los. Trotz Lagerfeuer, Gesang und Getanze.
Ein Schreib-Platz muss kein fester Platz sein – doch wir haben ein Körpergefühl dafür, wo wir gerade sind. Und je gewohnter uns die Umgebung ist, umso weniger Adrenalin verhindert den kreativen Ausdruck. Damals beruhigte mich das bald warme Notebook auf den Schenkeln. Heute brauche ich mein Home-Office und wäre von einem Lagerfeuer sehr abgelenkt. Nun, Zeiten ändern sich.
Frank Schätzing schreibt – zumindest einen Teil seiner Bücher – im Café Wippenbrock in Köln. Wer weiß, ob er so erfolgreich geworden wäre, hätte er seinen Schreib-Ort immer wieder gewechselt. Und warten wir doch mal ab, wie produktiv er im Lockdown war.
Wo ist dein Schreib-Platz? An welchem deiner Geräte willst du deine kreative Schreibsucht ausüben? Versuche, die Abwechslung so gering wie möglich zu halten.
3. Die richtigen Getränke, Snacks + Biohacks
Hat jemand gesagt, dass gute Autoren Alkohol oder Drogen brauchen? Stephen King schrieb als professioneller Alkoholiker viele Bücher. So richtig produktiv wurde er aber erst, als er wieder trocken war.
Es stimmt: Alkohol enthemmt und kann der Kreativität vielleicht einen Kickstart geben. Allerdings ist das ein sehr gefährlicher Antrieb, denn unter Alkohol leidet auch der Wille. Und Alkohol ist wenig hilfreich beim Entwickeln einer guten Gewohnheit. Also: Willst du Autor und nicht Alkoholiker werden? 😉
Der Geschmackssinn ist allerdings ein wirklich fantastischer Trigger für dein Schreib-Ritual. Bei mir ist es am Morgen eine Tasse Kaffee, am Mittag ein heißes Wasser und derzeit experimentiere ich mit Biohacking-Getränken wie dem „Daily Flow“ von Primal State. Und manchmal ist es, ich gebe es zu, ein Glas Wein.
Hier einige Wirkungen von Getränken und Lebensmitteln, die beim Schreiben helfen – oder nicht:
Kaffee | Koffein regt | günstig |
Alkohol | enthemmt (auch den Willen) | ungünstig |
Vitamin C, B-Vitamine, Calcium, Magnesium | unterstützen Energiestoffwechsel und schützen vor Stress | günstig |
CPD | entspannt und verbessert den Schlaf | eher günstig |
grüner oder schwarzer Tee | wirkt ähnlich wie Kaffee | günstig |
Zucker (in allen Formen) | belohnt das Gehirn – aber lässt dann nicht mehr los | ungünstig |
Fette, Kohlenhydrate | sättigen, machen süchtig und dick | was denkst du denn? |
Letztendlich ist es aber an dir, das selbst herauszufinden. Bei allem gilt allerdings: weniger ist fast immer mehr. Ausnahmslos jedes Lebensmittel oder jeder Stoff, den wir „brauchen“ macht uns unfrei und ist deshalb schlecht für die Kreativität.
4. Der richtige Sound
Ich habe mich an die Ruhe gewöhnt. Eine befreundete Journalistin besteht bei der Arbeit auf laute Gitarrenmusik (falls das noch unter „Musik“ läuft) zum Schreiben. Sie hat sich daran gewöhnt und vermutlich hat da jede:r eigene Erfahrungen. Und trotzdem:
Es ist nicht egal, was du hörst! Musik stimuliert dich – so oder so.
Erstens gehört es natürlich zum Ritual, möglichst immer mit der gleichen Musik (oder der gleichen Ruhe) zu schreiben. Und zweitens wirkt sich Sound unterschiedlich auf unser Gemüt aus. Ich bin mir einfach sicher, dass es sich auf die Texte auswirkt, ob du beim Schreiben ständig Schlager von Bernhard Brink, Sonaten von Beethoven oder Heavy Metal von Iron Maiden hörst. Auch, wenn das natürlich Geschmacksache ist.
Was ich nicht empfehle:
- sehr laute Musik, weil sie Stress verursacht
- deutschsprachige Musik, deren Texte du verfolgst
- neue, interessante Musik, weil sie ablenkt
- Musik, die dich nervt. Aber das ist ja eh klar.
Versuche es mal mit:
- einer Background-Music Liste auf Spotify. Die gibt es für viele Geschmäcker: von klassisch über Jazz bis hin zu Fahrstuhlmusik.
- Matras, vielleicht gesungen von Deva Premal oder Gregorianische Gesänge. Das nervt manche Menschen sehr. Andere lieben die Energie, die in diesen Klängen steckt.
- Meditationsmusik. Allerdings gehöre ich zu denen, die davon genervt sind…
- Viele sagen, dass Binaural Beats der Fokussierung. Das sind im Grunde Töne, die durch eine kleine Frequenzverschiebung dein Gehirn in einer bestimmten Frequenz zum Schwingen bringen. Probiere es mal aus.
- Ich habe für mich eine Liste mit zumeist entspannter und positiver Musik auf Spotify zusammengestellt. Wobei ich die gerade beim Schreiben gar nicht gerne höre…
5. Direkt ins Hirn: Mit Düften arbeiten
Unter all den Sinnen, die wir haben, ist der Geruchssinn etwas Besonderes: Er verbindet sich ohne Umwege mit dem Stammhirn – also unserem Reptiliengedächtnis. Dort sind diejenigen Dinge gespeichert, die wir nicht lernen müssen, weil sie seit Jahrmillionen für unser Überleben wichtig sind. Vieles, was Angst macht, Ekel erzeugt oder Zusammengehörigkeit verspricht, wird dort gesteuert. Und zwar nicht willentlich. Oder anders gesagt:
Das Stammhirn ist so etwas wie unser Betriebssystem. Und das lässt sich mit Düften steuern.
Das kann ein Strauß Blumen sein, der an deinem Schreibtisch steht oder die Tasse duftender Earl Grey Tee. Dessen typischer Geruch kommt von der Bergamotte, die stressreduzierend, aufmunternd und positiv auf uns wirkt. Wie schon gesagt: Ich trinke lieber eine Tasse Wasser – die gar nicht riecht. Aber ich liebe ätherische Öle, mit denen ich mich auf „kreativ“ oder „fokussiert“ programmiere. Hier eine Übersicht, der dafür infrage kommenden Düften:
Bergamotte | stressreduzierend, antidepressiv, positive Gedanken | Für die abendliche Schreib-Stunde, wenn die Kraft verloren geht |
Selleriesamen | reinigend, | Wenn die Motivation grad nicht passt |
Weihrauch | fördert Ruhe und Entspannung, klärt den Kopf und öffnet die Seele | Vielleicht für das große Finale? Einer der teuersten Düfte.. |
Lorbeerblatt | gibt dir Vertrauen und Mut und fördert deine Konzentration | Falls du dir deiner Sache gerade unsicher bist, setze dir selbst den Lorbeerkranz auf |
Speamint | wirkt belebend und fördert die Konzentration | Hilft sehr schnell beim Fokussieren auf die Arbeit |
Wild Orange | weckt den natürlichen kreativen Sinn und hebt die Stimmung | Wenn gerade wirklich viel zu tun ist, kannst du damit durchalten |
Muskatellersalbei | entspannt und beruhigt bei gesteigerter Konzentration, löst kreative Blockaden | Bringt dich so weit „runter“, dass du in Ruhe gut arbeiten kannst. |
Ylang Ylang | beruhigend und stimmungsaufhellend | Eigentlich DER Duft für die Meditation. Ich mag es auch zum Schreiben. |
Wie ich diese ätherischen Öle verwende? Natürlich in einem Diffusor (ich mag die Produkte von Muji) aber auch mit etwas Trägeröl vermischt auf die Handgelenke gerieben. Dann gehen sie direkt in die Blutbahnen und der Duft steigt auf bis zu deiner Nase.
3 Weitere Tipps zum Schreiben
Diffusor verbreitet einen Hauch Lorbeer, die Kaffeemaschine gurgelt und in deinen Kopfhörern säuselt die „Buddha Bar“ zarte Töne. Alles bereit. Was nun?
1. Vorher Ruhe bitte
Tritt mal eben einen Schritt zurück: Das Einschalten der Kaffeemaschine und das Tröpfeln von ätherischem Öl in den Diffusor gehören schon zum Ritual. So richtig funktioniert die Gewohnheit, wenn du deinem Gehirn ankündigst, was nun kommen wird. Das ist ein bisschen wie mit der Vorfreude – die bekanntlich besser ist als die Freude selbst.
Also: Schalte schon einige Minuten vor deiner Schreibstunde einen Gang runter und beginne mit den Vorbereitungen. Werde dabei am besten so richtig pingelig. Immer das gleiche Duftöl (oder immer ein anderes), immer die gleiche Kaffeesorte und auf jeden Fall dieselbe Musik – sonst geht es nicht. Vor allem am Anfang solltest du möglichst viel immer gleich machen. Natürlich wirst du dieses Ritual nicht jeden Tag hinbekommen – je genauer und restriktiver du am Anfang bist, umso eher wird aus dem Vorhaben ein Ritual.
2. Ablenkungen vermeiden
Es klingt altbacken, spießig und sogar erwachsen: Während du schreibst, brauchst du Ruhe. Und das meine ich nicht auf die Musik bezogen. Sondern digitale Ruhe. Schalte dein Handy aus (oder die App „Forest“ ein), Beende dein Mailprogramm und entferne alle Mitteilungen und Nachrichten von Sozialen Medien, Messengerdiensten und Telefonen. Alles aus. Dann horche in dich hinein: Falls dich diese Ruhe stresst, halte sie aus. Ich verspreche dir, das wird bald besser und diese Ruhe wird dir gefallen und dich nicht mehr stressen. Ich verspreche dir auch, dass Insta, WhatsApp und deine Kolleg:innen auch noch in einer Stunde da sein werden – wenn du deine fünf Seiten oder deinen halben Blogbeitrag geschrieben hast. Probiere es aus.
3. Die Belohnung danach
Wenn deine kreative Stunde vorbei ist (und nur dann!) gönnst du dir eine Belohnung. Etwas Süßes, eine Episode auf Netflix oder was auch immer du willst. Aber wirklich nur, wenn du deine Zeit erfolgreich geschrieben hast.
Das ist Konditionierung und diese funktioniert verstörend gut. In dem Punkt sind wir Menschen nicht viel besser als die Hunde, die wir erziehen oder ein Löwe, der im Zirkus durch einen brennenden Ring springt. Wenn der sein Fleisch vorher bekäme oder wenn er am Ring vorbeiläuft, hätte er morgen keinen Grund mehr für den Sprung.
Eins noch: schreiben ist schreiben!
In diesen 60 bis 90 Minuten geht es um das Schreiben. Nicht das Vorbereiten, die Themenrecherche, das Marketing, das Posten deiner Beiträge auf Facebook, das Anschreiben von Verlagen oder sonst eine andere Arbeit, die mit deinem Schreibprojekt zusammenhängt. Bestenfalls das Überarbeiten deiner Texte kannst du noch dazu nehmen. Doch auch das ist schon ein Kompromiss.
Alle anderen Tätigkeiten (also Marketing, SEO, Telefonieren, Social Posting) braucht viel weniger Energie als der der kreative und produktive Vorgang des Schreibens. Deshalb brauchst du jede Minute dafür. Punkt!
Was sind deine Rituale?
Und jetzt du: Falls du weitere funktionierende Rituale für dich entwickelt hast, interessieren diese mich sehr! Schreibe sie auf – gerne in den Kommentaren.
Ich bin Paul Jonas, Autor des Buches „Schreib. Dein. Buch“ und unübersehbar ein Pseudonym. Hier darf ich über meinen Job, das Schreiben und die Kreativität schreiben. Hier findest du mehr über mich.
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